Baumann, Alexander Moritz (1814–1857), Schriftsteller, Komponist und Beamter

Baumann Alexander Moritz, Schriftsteller, Komponist und Beamter. Geb. Wien, 7. 2. 1814; gest. Graz (Steiermark), 25. (nicht 26.) 12. 1857; röm.-kath. Sohn von Carl Baumann (geb. 1774 oder 1775; gest. Wien, 6. 8. 1832), Besitzer des Großkaufhauses Zum schmeckenden Wurm am Lugeck in Wien 1, und seiner Frau Rosalia Rambach-Ghelen (geb. 1781 oder 1782; gest. Wien, 27. 9. 1845), deren Familie Miteigentümerin der „Wiener Zeitung“ war. – B. entstammte einer sehr wohlhabenden Familie. Nach dem Besuch des Schottengymnasiums und des Stiftsgymnasiums in Melk wechselte er an das polytechnische Institut in Wien (nicht nachweisbar). Für kurze Zeit arbeitete er als Kontorist im Kaufhaus seines Vaters und in den Bankhäusern Eskeles und Sina. Aufgrund der Beziehungen seiner Familie bekam er trotz seiner mangelnden Schulbildung eine Anstellung als Registratur-Akzessist im Hofkammerarchiv unter →Franz Grillparzers Direktion, wurde dann Staatsratskanzlist in der geheimen Staatsratskanzlei und 1856 schließlich Archivoffizial des Reichsrats. B. war wegen seines geselligen Wesens in den vornehmsten Wiener Salons ein gern gesehener Gast: bei →Johann Vesque von Püttlingen d. J., →Klemens Fürst Metternich-Winneburg, →Franz Anton Graf von Kolowrat-Liebsteinsky, bei →Lajos Graf Széchényi von Sárvár und Felsővidék (s. u. →Imre Graf Széchényi von Sárvár und Felsővidék), selbst bei Hof. Dabei trat er als Laienschauspieler auf, brachte seine Gedichte dar, parodierte Sprachen und spielte auf der Zither. B., Mitglied der vormärzlichen Vereinigung Concordia, schrieb zahlreiche Gedichte. Bekannt wurde er mit den „Gebirgsbleameln“, Liedern in österreichischer Mundart mit Klavierbegleitung (8 Hefte, 1842–54). Die Texte stammen von ihm, die Melodien nur zum Teil. Auch seine Soldatenlieder „Ehrenbuschn für d’Oestereicher Armee in Italien z’sambrockt in 100 Schnadahipfln ...“ (1850, 2. Aufl. 1854) erfreuten sich größter Beliebtheit. Als Dramatiker war B. ebenfalls äußerst produktiv: Er verfasste 4 Singspiele im Dialekt, 5 Einakter, 9 mehraktige Possen sowie 2 Operntexte („König Enzio“, Musik: →Benedikt Randhartinger, unaufgeführt; „Dominga“, Musik: →Josef Dessauer, Uraufführung 1860 an der Wiener Hofoper). Dank seiner guten Beziehungen kamen viele seiner Werke im Hofburgtheater zur Aufführung, u. a. 1840 „Die beiden Ärzte“ (Lustspiel), 1848 „Alpenszene“ oder 1849 „Der Freiherr als Wildschütz“. Ebenfalls dort 1848 uraufgeführt wurde „Das Versprechen hinterm Herd“, B.s erfolgreichstes Werk. Das einaktige Singspiel, in dem B. den älplerischen dem Berliner Dialekt in komischer Weise gegenüberstellt, war mit 87 Aufführungen bis 1863 viele Jahre das meistgespielte Stück des Hofburgtheaters. Später übernahmen es auch viele andere Bühnen wie das Theater an der Wien, das Deutsche Volkstheater oder die Hofoper (27 Vorstellungen 1886–1908). In der Rolle der Nandl brillierte Mathilde Wildauer, mit der B. eine lebenslange Freundschaft verband. B.s Wohnung im Passauerhof war als sogenannte Baumannhöhle Treffpunkt der „Gnomen“, einer illustren Abendgesellschaft. Zu deren Mitgliedern gehörten neben B.s engsten Freunden →Eduard von Bauernfeld und →Eduard Hanslick u. a. →Ignaz Franz Castelli, →Heinrich Joachim von Sichrov(w)sky, →Joseph Fischhof, →Salomon Hermann von Mosenthal, →Leopold Feldmann, →Matthias Johann Ranftl, →Remi van Haanen, →Hanns Gasser, →Friedrich Beckmann, →Joseph Unger, →Eduard Freiherr von Todesco, →Moritz Todesco, Leopold von Wertheimstein, →Joseph von Sichrov(w)sky sowie Dessauer und Randhartinger. Letzterer brachte auch B.s musikalische Einfälle zu Papier und schrieb die Begleitung dazu, denn B. selbst konnte keine Noten lesen, obwohl er ausgezeichnet Zither spielte und für dieses Instrument u. a. seine österreichischen Ländler für die Zither (1847) und zahlreiche Lieder und Weisen schuf. Mit Wildauer, Dessauer und →Karl Freiherr von Schönstein verbrachte B. viele Sommer im Salzkammergut, wo sie eine Künstlerkolonie gründeten. 1854 unternahm B. eine sechsmonatige Reise nach Ägypten, Nubien und ins Heilige Land, wo er sich vermutlich mit einer Krankheit infizierte, an der er während eines Jagdaufenthalts verstarb. B. war Träger des Ritterkreuzes II. Klasse des Herzoglich Anhaltischen Gesamthaus-Ordens Albrechts des Bären.

Weitere W.: s. Pazdírek; Jaffé. – Teilnachlass: Wienbibliothek im Rathaus, Wien.
L.: WZ, 21. 12. 1845; Die Presse, 29. 12. 1857; NFP, 15. 4. 1906, 1. 12. 1957 (Beilage); NWT, 24. 12. 1907; Südost-Tagespost, 19. 1. 1958 (Beilage); Czeike; Hall–Renner; oeml; Pazdírek (mit W.); Wurzbach; W. Jaffé, A. B. (1814–57), 1913 (mit Bild und W.); P. Kainbacher, Sammlung von Afrika-Reisebeschreibungen österreichischer Forschungsreisender 2, 2001; TU, Wien; Pfarre Graz-Graben, Steiermark.
(R. Müller)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 57
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