Geistinger, Marie (1836-1903), Schauspielerin

Geistinger Marie, Schauspielerin. * Graz, 26. 7. 1836; † Klagenfurt, 29. 9. 1903. Tochter des russ. Hofschauspielerpaares Nikolaus und Charlotte G., Enkelin des Braunschweig. Hofschauspielers Karl Gassmann. Nach sorgfältiger Erziehung erhielt sie von K. M. Wolf in Wien eine gründliche musikal. Ausbildung und trat bereits 1844 in Kinderrollen in Graz auf. Am 10. 8. 1850 debut. sie im Münhener Max-Schwaiger-Theater, wirkte ab 1854 als Sängerin, aber auch als Charakterdarstellerin, am Friedrich-Wilhelmstädter-Theater in Berlin, dann in Hamburg, Riga und am Viktoria-Theater in Berlin. Von Strampfer nach Wien geholt, debut. sie am 17. 3. 1865 im Theater a. d. Wien als Schöne Helena. Sie kreierte mit sensationellem Erfolg alle Offenbach-Operetten und auch die Gesangspartien in Joh. Strauß’ „Cagliostro“, „Fledermaus“, „Carneval in Rom“ war aber von ebenso starker Wirkung als erste Darstellerin in „Pfarrer von Kirchfeld“, „Meineidbauer“, „Stahl und Stein“, „Kreuzelschreiber“. Vom 1. 8. 1869 bis 15. 5. 1875 leitete sie mit Maximilian Steiner mit größtem künstler. Erfolg das Theater a. d. Wien. Wegen finanzieller Verluste schied sie aus der Direktion und widmete sich nur mehr ausgedehnten Gastspielreisen (u. a. siebenmal durch ganz Amerika). Mit der G. erschien auf dem Wr. Theater der Inbegriff des Zeitgeschmackes, des damaligen junon. Frauenideals. Als zeitgenöss. Charakteristikum nannte man sie „die erste Offenbacchantin“, die „Königin der Operette“. Ein Phänomen an Temperament, Charme und Ausstrahlung, vermochte sie noch im Alter von über sechzig Jahren mit größter Wirkung ihre jugendlichen Soubretten-Gestalten zu spielen. Ihre Universalbegabung erlaubte und ermöglichte ihr – nach kurzer Vorbereitung bei A. Förster (s. d.) – am Wr. Stadttheater, dann einige Jahre am Leipziger Stadttheater, als trag. Heroine zu wirken, u. a. als Orsina, Emilia Galotti, Elisabeth, Medea. Die letzten Lebensjahre verbrachte sie als reiche Frau in ihrem mit Kunstschätzen erfüllten Klagenfurter Heim, wo sie, fast vergessen, nach langer Krankheit starb.

L.: N.Fr.Pr. vom 30. 9. und 1.10. 1903; Die Österreicherin, Jg. 2, 1947, H. 819, Jg. 3, 1948. H. 10; Carinthia 1, Jg. 140, 1950, S. 900ff.; Kosch, Theaterlex.; ADB.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 5, 1957), S. 418
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