Kienzl, Wilhelm (1857-1941), Komponist

Kienzl Wilhelm, Komponist. * Waizenkirchen (O.Ö.), 17. 1. 1857; † Wien, 3. 10. 1941. Sohn des Vorigen, Bruder des Schriftstellers und Dramaturgen Hermann K. (s. d.). K. erhielt Klavierunterricht bei J. Buwa und H. Mortier de Fontaine, Violinunterricht bei J. Uhl und Kompositionsunterricht bei W. Mayer-Rémy in Graz und stud. an der Grazer Univ. Phil., Physik, Literatur und Musikgeschichte (F. v. Hausegger, s. d.). Diese Stud. setzte er 1876 in Prag und später in Wien fort, wo er 1879 mit der Diss. „Die musikalische Deklamation“ promov. wurde. 1883 begann er die Kapellmeisterlaufbahn in Amsterdam, von dort kam er über Hamburg und München als Dir. des Steiermärk. Musikver. (1897–1917) nach Graz zurück. Hier und in Bad Aussee entstanden seine erfolgreichen Opern „Der Evangelimann“ (wozu ihn seine Frau angeregt hatte) und „Der Kuhreigen“. 1917 übersiedelte K. nach Wien, 1919 komponierte er auf einen Text des österr. Staatskanzlers K. Renner die Staatshymne der 1. Republik. K. empfand die Bezeichnung „volkstümlicher Künstler“ als ehrenvoll, da ihm „Volk“ ein hoher Begriff war, und unterschied streng zwischen Volks- und „Pöbelmusik“. Diese Einstellung ist neben den beiden genannten Opern „Evangelimann“ und „Kuhreigen“ vor allem für die Dialektoper „Das Testament“ und für kleinere musikal. Formen, Klavierländler, Tanzweisen, Lieder, zutreffend. Diese Werke stehen auch in der Publikumswertung an erster Stelle. Weniger Erfolg verzeichnete die Oper „Don Quixote“ nach Cervantes’ Roman. In den größeren Instrumentalwerken sind romant.-poet. Vorlagen maßgebend, daneben finden sich unter den kleineren Stücken solche mit pädagog. Zielsetzung. Als Verehrer Wagners und Komponist seiner Zeit stand K. der polyphonen und abstrakten Musik fern; es ging ihm um eine gemütsbetonte, oft schwärmer. und philosoph.-geistvolle Aussage. Die musikal. Möglichkeiten eines M. Reger, R. Strauss oder der französ. Impressionisten nutzte er bewußt nicht. Lesenswert und gültig sind noch heute seine ästhet. und krit. Schriften, seine musikwiss. und textkrit. Ausgaben haben als Belege hochromant. Aufführungspraxis bereits hist. Wert. Eine enge und künstler. ergiebige Freundschaft verband K. mit P. Rosegger; seinem Freundeskreis gehörten auch R. Hamerling (s. d.), H. v. Bülow, J. Brahms (s. d.), E. Humperdinck, E. v. Schuch und L. Boltzmann (s. d.) an. Ab 1886 war K. mit der Sängerin Pauline (Lili), geb. Hoke (1867–1919), der Tochter eines Linzer Rechtsanwaltes, verheiratet. Nach Gesangstud. in Graz und München war sie als jugendlich dramat. Sängerin in Koblenz, Amsterdam und Reichenberg tätig. In Bayreuth (wo sie ihren späteren Mann kennenlernte) sang sie ein Blumenmädchen in „Parsifal“. Nach ihrer Heirat zog sie sich von der Bühne zurück und widmete sich dem Lieder- und Oratoriengesang.

W.: Bühnenwerke: Urvasi, 1884; Heilmar der Narr, 1891; Der Evangelimann, 1894; Don Quixote, 1897; In Knecht Ruprechts Werkstatt, 1907; Der Kuhreigen, 1911; Das Testament, 1916; Hassan der Schwärmer, 1921; Sanctissimum, 1922; Hans Kipfel, 1926; Chorkompositionen; Lieder; Orchesterlieder; Klavierwerke. Orchesterwerke: Das Märchen vom Dornröschen, op. 12; Seliges Waldgeheimnis, op. 15; 3 Suiten in Tanzform, op. 21 c; Symphon. Variationen über das Straßburglied, op. 109a; etc. Schriften: Die musikal. Deklamation, 1880; Miszellen, 1886; Titus, 1893; R. Wagner. Die Gesamtkunst des 19. Jh., 1904, 2. Aufl. 1908; Aus Kunst und Leben, 1904; Im Konzert, 1908; Betrachtungen und Erinnerungen, 1909; Bearbeitungen und Ausgaben.
L.: Wr.Ztg. vom 23. und 30. 9., 6., 13., 14., 20., 21. und 27. 10. 1951; Kleine Ztg. vom 13. und 17. 1. 1957; Meine Lebenswanderung, 1926; Österr. Hochschulztg. vom 1. 2. 1957; Festschrift zu W. K.s 60. Geburtstag, hrsg. von H. Hagen, 1917; J. Marx, Betrachtungen eines romant. Realisten, 1947; O. Wessely, W. K. und A. Jensen, in: Oberösterr. Kulturberr., 1948, n. 37; K. Trambauer, W. K.s Opernstoffe, Diss. Wien, 1950; H. Sittner, K.–Rosegger, eine Künstlerfreundschaft, 1953; Die Musik in Geschichte und Gegenwart (mit weiterem L.- Verz.); Moser; Riemann; W. Suppan, Steir. Musiklex., 1962 ff.; Krackowizer.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 14, 1964), S. 326
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