Singer, P. Petrus (Peter, Josef Anton) von Alcantara (1810-1882), Komponist, Musiktheoretiker, Organist, Chorregent und Instrumentenbauer

Singer P. Petrus (Peter) von Alcantara (Josef Anton), OFM, Komponist, Musiktheoretiker, Organist, Chorregent und Instrumentenbauer. Geb. Unterhäselgehr, Bayern (Häselgehr, Tirol), 18. 7. 1810; gest. Salzburg (Sbg.), 25. 1. 1882. – Sohn eines Müllers, Glockengießers und Instrumentenbauers. Überwiegend musikal. Autodidakt, erlernte S. schon früh eine Reihe von Instrumenten. Mit 11 Jahren erhielt er in Reutte von P. Mauritius Gasteiger OFM Unterricht in Harmonielehre und Generalbaß. Nach der Gymn.zeit (1824–30) in Hall (Hall in Tirol) trat er 1829 in das Franziskanerkloster in Salzburg ein; 1830 einfache, 1833 feierl. Profeß, bis 1837 Theol.stud. in Salzburg, Schwaz und Bozen (Bolzano/Bozen), 1834 Priesterweihe in Trient (Trento).1837–40 war er Organist und Chorregent in Bozen und Innsbruck, 1840 bis zu seinem Tod lebte er im Salzburger Franziskanerkloster; Novizenmeister, Beichtvater u. a. von Fürsterzbischof Franz Albert Eder (s.d.). Bes. Bedeutung erlangte S. durch den Bau seines „Pansymphonicon“ (1845), eines Tasteninstruments mit Zungenreihen, 2 Manualen und 42 Registern, die ein ganzes Orchester nachahmen. Dieses Instrument war Gegenstand der Bewunderung unzähliger, auch höchstrangiger Besucher. S. verf. neben kontemplativen Schriften und einer Chorallehre die bedeutsame musiktheoret. Abh. „Metaphysische Blicke in die Tonwelt …“. In ihr entwickelt er eine in seiner Zeit fortschrittl. Theorie, die die gesamte Tonkunst funktional auf den Tonikadreiklang (= „Urharmonie“) sowie dessen Oberdominante mit Sept und Unterdominante mit Sext (= „Hilfsharmonien“) bezieht. S. untermauert sein System theol.- phil., indem er den Dreiklang in Anal. zur Trinität bringt; alle anderen Klänge und Melodien sind Geschöpfe dieses Dreiklangs. S. war auch ein sehr fruchtbarer Kirchenkomponist; freizügige Textbehandlung, wechselhafte Formdisposition, volkstüml. Melodik, Sequenztechnik und farbenreiche Harmonik zeichnen seinen Stil aus. Bes. die klavierist. Orgelbehandlung ist signifikant.

W. (auch s. u. Hoffmann): 102 Messen; 141 Motetten; 15 Lauretan. Litaneien; 7 Te Deum; 14 Responsorien zum Hl. Antonius; 78 Tantum ergo; zahlreiche dt. Andachtslieder; etc. – Publ.: Geistl. Betrachtungsuhr, 1843, 10. Aufl.; Metaphys. Blicke in die Tonwelt nebst einem dadurch veranlassten neuen System der Tonwiss., 1847; Cantus choralis in Provincia Tirolensi Fratrum Minorum Reformatorum consuetus, 1862; etc.
L.: Bautz; Grove, 2001; MGG; Wurzbach; F. Spängler, in: Mitt. der Ges. für Sbg. Landeskde. 44, 1904 (m. B.); P. Hartmann v. An der Lan-Hochbrunn OFM, P. P. S., 1910; L. Angelberger, in: Musica Divina 2, 1914, S. 375f.; R. Zangerl, in: Franziskan. Stud. 13, 1926; C. Schneider, Geschichte der Musik in Sbg. …, 1935; V. Keldorfer, Der Spielmann des Herrn (= Kulturgut der Heimat 1), 1952; K. Picker, Beitrr. zur Kenntnis der Kirchenmusik in Salzburg, phil. Diss. Innsbruck, 1957, S. 39ff.; W. Hoffmann, P. P. S. OFM 1810–82 (= Musikwiss. Schriften 24), 1990 (m. B., L. und W.); Mitt. Richard Lipp, Reutte, P. Florentin Nothegger OFM, Hall i. T., beide Tirol, P. Emmeram Stacheder OFM, Salzburg, Sbg.
(W. Hoffmann)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 57, 2004), S. 299f.
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