Wilt, Marie; geb. Liebenthaler (Liebenthal), Künstlernamen Liebenhart, Maria Vilda (1834–1891), Sängerin

Wilt Marie, geb. Liebenthaler (Liebenthal), Künstlernamen Liebenhart, Maria Vilda, Sängerin. Geb. Wien, 30. 1. 1834; gest. ebd., 24. 9. 1891 (Suizid; Ehrengrab: Zentralfriedhof); röm.-kath. Mutter der Sängerin Fanny W., verwitwete Plankensteiner, verheiratete Gottinger (geb. Steyr, OÖ, 8. 7. 1854; gest. Wien, 5. 1. 1930; begraben: Hallstatt, OÖ); ab 1853 verheiratet mit →Franz W. – W. wuchs als Waise bei einer Pflegefamilie auf, die ihr eine musikal. Ausbildung (Klavier) ermöglichte. Ihre Vorliebe für Gesang erfuhr oft Zurückweisung, v. a. wegen ihres ungünstigen Aussehens. →Johann v. Herbeck erkannte ihr Talent und brachte sie zum Singver. der Ges. der Musikfreunde. Dort wurden ihr gelegentl. Soli zugewiesen, welche die Aufmerksamkeit der Kritik (→Eduard Hanslick) erweckten. Auf Empfehlung der Primadonna Désirée Artôt nahm sie nun regulär Gesangsunterricht bei →Josef Gänsbacher und beging ihr spätes Bühnendebüt 1865 in Graz als Donna Anna in Mozarts „Don Juan“, fortan eine ihrer berühmtesten Rollen. Im selben Jahr erschien sie in Berlin, danach an der Covent Garden Opera in London als Valentine in Meyerbeers „Die Hugenotten“ (unter dem Namen Liebenhart), 1866 und 1867 trat sie ebd. unter dem Künstlernamen Maria Vilda auf und erntete für ihre Norma in Bellinis Oper (Mai 1866) sensationellen Erfolg sowie 1867 auch als Alice in Meyerbeers „Robert der Teufel“. 1867 kehrte W. nach Wien zurück, wo sie bis 1878 als erste Kraft im Engagement blieb. Im Mai 1869, anlässl. der Eröffnung des neuen Wr. Opernhauses, sang sie die Donna Elvira in Mozarts „Don Juan“, am nächsten Tag die Donna Anna. Ihr enormer Stimmumfang und ihre hochkultivierte Gesangstechnik ermöglichten es W., so divergierende Partien wie Königin der Nacht (Mozart), Aida (in der ersten Wr. Auff. von →Giuseppe Verdis Oper) oder Ortrud (Wagner) zu singen. Im März 1875 kreierte sie die Rolle der Sulamith in der Urauff. von →Karl Goldmarks „Die Königin von Saba“. 1874 und 1875 beging sie ihre triumphale Wiederkehr an das Londoner Opernhaus. Obwohl ihre Stimme zu ao. Kraftentladungen fähig war, konnte W. im lyr. Gesang durch eminente Klangschönheit bezaubern. Hingegen versagte sie vollständig als Bühnendarstellerin. Nach der Trennung von Franz W. und dem dadurch bewirkten Weggang von Wien nahm sie ein Engagement in Leipzig bei →Angelo Neumann an, wo sie sich zur Wagner-Sängerin wandelte und im ersten Nibelungen-Ring außerhalb Bayreuths (1879) die drei Brünnhilden sang. Gastspiele führten sie wieder nach Wien, wo sie 1882–85 alljährl. enthusiast. gefeierte Auftritte bot. Die bevorzugten Rollen dieser Epoche waren Leonore in „Der Troubadour“ (Verdi), Donna Anna, Norma, Königin der Nacht, Konstanze in „Die Entführung aus dem Serail“ (Mozart), Alice, Valentine, Bertha (Meyerbeer), die Titelrollen in „Aida“, „Lucrezia Borgia“ (Donizetti). Oft erschien sie auch in Budapest, wo sie als Erzsébet in →Ferenc Erkels „Hunyadi László“ triumphale Erfolge feierte. Ein wichtiges Element ihres Wirkens waren ihre Auftritte als Lieder- und Konzertsängerin, in Mozarts Requiem, Beethovens Missa solemnis, Neunter Symphonie und vielen anderen klass. Werken. Das von ihr gesungene Sopransolo im „Deutschen Requiem“ von →Johannes Brahms wurde vom Komponisten bewundert. Oft war sie bei Musikfesten in Dtld. zu erleben. Zuletzt litt W. an Depressionen, woran auch ihre prekären familiären Verhältnisse Schuld trugen. Sie verweilte mehrmals in psychiatr. Behandlung. Ihr letztes Auftreten beim Salzburger Mozartfest 1891 zeigte sie in desolatem nervl. und gesangl. Zustand. Wenige Wochen danach nahm sie sich das Leben. Auch die aussichtslose Liebe zu einem jungen Mann soll sie zu diesem Schritt verleitet haben. Ihr Tod erschütterte die Musikwelt, doch ihr Ruf als eine der größten Künstlerinnen der Gesangsgeschichte blieb bestehen. W. wurde zur Kammersängerin (1869) sowie zum Ehrenmitgl. der Ges. der Musikfreunde in Wien (1871), des Wr. Opernhauses (1883) und der Kgl. Oper in Budapest ernannt. Sie war als große Wohltäterin bekannt und stiftete ihr immenses Vermögen bedürftigen Studenten.

L.: NFP, 13. 12. 1909 (Nachmittagsbl.); ADB; Eisenberg 1; Eisenberg, Bühne; Kutsch–Riemens; MGG II; oeml; Riemann; Wurzbach; Signale für die musikal. Welt 49, 1891, S. 807; La Mara, Die Frauen im Tonleben der Gegenwart, 1892; La Mara, Durch Musik und Leben im Dienste des Ideals 1–2, 1917, s. Reg.; M. Kalbeck, J. Brahms 2, 1908–10, s. Reg.; H. Rosenthal, Two Centuries of Opera at Covent Garden, 1958, s. Reg.; Pfarre St. Augustin, Pfarre St. Florian, beide Wien; Stadtpfarre Steyr, OÖ.
(C. Höslinger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 232
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