Barbaja (Barbaglia), Domenico (1777–1841), Unternehmer, Theaterdirektor und Künstleragent

Barbaja (Barbaglia) Domenico, Unternehmer, Theaterdirektor und Künstleragent. Geb. Ponte Sesto, Herzogtum Mailand (Rozzano, I), 10. 8. 1777; gest. Mergellina, Königreich beider Sizilien (Napoli, I), 18. oder 19. 10. 1841; röm.-kath. Sohn von Carlo Giuseppe Barbaja und Maria Stabilini; verheiratet mit Rosa Gerbini (1778–1849). – B. stammte aus einer armen Familie und lernte kaum lesen und schreiben. In seiner Jugend arbeitete er als Kellner in Mailand und kreierte ein äußerst beliebtes und einträgliches Kaffee-Kakao-Milchgetränk („Barbagliata“). Als während der französischen Herrschaft wieder Spielhallen erlaubt waren, begann er als Kartengeber zu arbeiten, bald auch für das Casino im Foyer des Mailänder Teatro alla Scala. Hier erhielt er im Karneval 1805 die Gesamtleitung über die Glücksspiele und führte das Roulette ein, womit er reich wurde. 1806 reiste B. nach dem Sieg der napoleonischen Truppen nach Neapel und konnte wenige Wochen später die Lizenz für den größten Spielsalon erwerben. 1809 bekam er einen Vertrag zur Leitung der königlichen Theater (Teatro San Carlo und Teatro del Fondo) sowie deren Spielbanken. Er erwarb weitere Lizenzen für Glücksspielbetriebe außerhalb der Theater und übernahm zudem die Leitung des drittgrößten Theaters (Teatro dei Fiorentini). Nachdem ein Brand das Teatro San Carlo im Februar 1816 vollständig zerstört hatte, wurde B. mit dem Wiederaufbau beauftragt. Bereits im Jänner 1817 wurde das Theater wiedereröffnet, das als größtes Opernhaus Europas bühnentechnisch und in der Ausstattung des Zuschauerraums neue Maßstäbe setzte. Der König übertrug B. 1818 auch die Bauleitung der Basilika San Francesco di Paola gegenüber dem Königspalast. Nach dem Verbot des Glücksspiels 1820 gestaltete sich die Finanzierung der Theater immer schwieriger. Drei Jahre später ließ B. seinen Pachtvertrag nicht verlängern, ab Ostern 1825 leitete er erneut die Theater, zu nun viel besseren Konditionen, bis Mai 1834. Ebenso übernahm er sie wieder zwei Jahre später, nach dem von ihm vorprogrammierten Misserfolg seiner Nachfolger (Società d’industria e belle arti), bis er sich 1840 mit seinen Geschäftspartnern überwarf. Bis zu seinem Lebensende betrieb er noch das Teatro Nuovo. B. band die besten Opernsänger seiner Zeit als Künstleragent vertraglich an sich und engagierte sie als Theaterdirektor zu hohen Gagen, von denen er somit selbst wieder profitierte. Zu ihnen gehörten Isabella Colbran (seine langjährige Geliebte), Maria Malibran, Giovanni Battista Rubini, Giovanni David, Luigi Lablache, Domenico Donzelli, →Giuditta Pasta und viele andere. Er verpflichtete Gioacchino Rossini nach Neapel, wo dieser zehn seiner Opern im Zeitraum 1815–22 uraufführte. 1822 engagierte B. →Gaetano Donizetti an die königlichen Theater, der bis 1838 28 Opern für ihn schrieb. Auch Vincenzo Bellini verdankte ihm, wie viele andere, seine Entdeckung und seinen Erfolg. In den 1820er-Jahren weitete B. sein Bühnenimperium auf zwei weitere Städte aus: In Wien unterschrieb er im November 1821 den Vertrag zur Pachtung des Kärntnertortheaters. Anfang 1822 beteiligte er sich auch am Theater an der Wien, zerstritt sich aber bald mit seinem Partner →Ferdinand Graf Pálffy von Erdőd. Er ließ das Kärntnertortheater baulich verbessern, führte Abonnements ein und schaffte die Freikarten ab, holte die besten Sänger seines neapolitanischen Ensembles nach Wien und v. a. Rossini, dessen Opern Begeisterungsstürme hervorriefen. Er verpflichtete aber auch Carl Maria von Weber, der am Kärntnertortheater seine Oper „Euryanthe“ 1823 mit großem Erfolg uraufführte. Im Mai 1826 wurde sein Vertrag für das Kärntnertortheater erneut für drei Jahre verlängert, B. beendete jedoch seine Vereinbarungen vorzeitig im April 1828. In Mailand übernahm er 1826–32 die Pacht des Teatro alla Scala und des Teatro alla Canobbiana. Zwischen den von B. geleiteten Opernhäusern fand ein reger Austausch von Künstlern und Repertoirestücken statt, so brachte er etwa auch →Franziska (Fanny) Elßler und →Caroline Unger-Sabatier nach Neapel. Bereits 1815 besaß B. dort ein vierstöckiges Haus in der Via Toledo, eine Villa in Mergellina (bei Posillipo), ein Dutzend Geschäfte, weitere Immobilien, ab 1817 eine Villa auf Ischia und ab 1820 auch eine der bedeutendsten Kunstsammlungen Neapels (1841 verkaufte er 17 Gemälde an den König). Trotz vieler finanzieller Schwierigkeiten hinterließ er seinen beiden Kindern ein großes Vermögen. Seine Person wurde im Roman „Der Impresario“ (→Emil Lucka) und als Figur in zwei Opern verewigt (Daniel-François-Esprit Auber, „La Sirène“; Bernhard Paumgartner, „Rossini in Neapel“).

L.: Grove, 1980, 2001; Grove, Opera; MGG I, II; I. Frh. v. Pöck, Darstellung des Zustandes der Oper und des Balletes im k.k. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthore während der Pachtung des Herrn D. B., 1825; F. Regli, Dizionario biografico dei più celebri poeti ed artisti melodrammatici ..., 1860; Dizionario Biografico degli Italiani 6, 1964; Enciclopedia della musica, 1995; Ph. Eisenbeiss, D. B. Schillernder Pate des Belcanto, 2019 (mit Bild).
(R. Müller)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)