Bayer, Franz Rudolf (1780–1860), Schauspieler

Bayer Franz Rudolf, Schauspieler. Geb. Wien, 30. 11. 1780; gest. Dresden, Sachsen (D), 25. 4. 1860. Sohn eines Wiener Apothekers böhmischer Herkunft, verheiratet mit Veronika Bayer, geb. Müller, Vater der königlich sächsischen Hofschauspielerin →Marie Bayer-Bürck. – B. besuchte die Lateinschule. Mitte der 1790er-Jahre soll die kinderreiche Familie verarmt sein, sodass B. seine Musik-, Sprach- und Tanzstunden aufgeben musste und als Praktikant bei der Münz- und Bergwesens-Hofbuchhaltung eintrat. Nach sechs Monaten verließ er den Dienst, begann ein Medizinstudium (nicht nachweisbar), wurde aber bald als Sekretär in das Haus des herzoglich Sachsen-Gothaischen Bevollmächtigten am Kaiserhof empfohlen. Dort kam B. mit Künstlerkreisen in Kontakt und wirkte in privaten Theatervorstellungen mit. Auf Empfehlung des Schauspielers Karl Friedrich Solbrig vermittelte ihm →Johann Carl Liebich ein Engagement beim Prager Impresario Domenico Guardasoni. 1802 debütierte B. am Prager Ständetheater in August Wilhelm Ifflands „Verbrechen aus Ehrsucht“ und entwickelte sich unter Liebichs Direktion zu einem der bedeutendsten Schauspieler Prags. Nach dessen Tod führte er 1816–18 Regie und bemühte sich während der problematischen Direktionsperiode Johanna Liebichs (→Johanna Stöger) vergeblich um die Direktorenstelle. B. zeichnete sich als Charakterdarsteller (Liebhaber und Held) sowohl im zeitgenössischen als auch im klassischen Repertoire aus. →Eduard Hanslick hielt seinen Wallenstein für einen der besten auf den damaligen deutschsprachigen Bühnen, und →František Palacký äußerte sich in seinem Tagebuch anerkennend über ihn. 1844 pensioniert, trat B. noch bis 1848 als Gast in seinen großen Rollen auf, bevor er 1849 zu seiner Tochter nach Dresden übersiedelte. Vertraglich war er zwar ab 1824 verpflichtet, auch in tschechischen Vorstellungen mitzuwirken, doch ist kein solches Auftreten dokumentiert. Gastspiele führten ihn ab 1805 wiederholt an das Wiener Burgtheater und 1811 nach Leipzig. B., eine der bekanntesten Persönlichkeiten Prags, war auch ein begabter Maler, zeichnete Porträts und beteiligte sich an Ausstellungen der Kunstakademie in Prag. Gelegentlich schrieb er kleine Texte für Prager Zeitschriften. Unter dem Titel „Der Weg zur Kunst“ soll er eine wiederholt aufgeführte Parodie auf den 3. Akt von Schillers „Die Räuber“ geschrieben haben (nicht belegt).

Weitere Rollen: Hamlet (W. Shakespeare, Hamlet); Macbeth (ders., Macbeth); Götz von Berlichingen (J. W. v. Goethe, Götz von Berlichingen); Karl Moor (F. Schiller, Die Räuber); Wilhelm Tell (ders., Wilhelm Tell); Max Piccolomini (ders., Wallenstein); etc. – Publ.: Jasons Vermählung (Musik J. J. Rösler, aufgeführt in Prag 1810, Manuskript); Beiträge in Der Kranz, oder: Erholungen für Geist und Herz.
N.: Bohemia, 27. 4. 1860, 28. 4. 1860.
L.: Alth, Burgtheater, s. Reg.Bd.; Eisenberg, Bühne; Kosch, Theaterlex.; Wurzbach; Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst 15, 1824, S. 322–324, 346–348; O. Teuber, Geschichte des Prager Theaters 2, 1885, bes. S. 356f., 383–385, 464f., 3, 1888, bes. S. 22f., 153f., 207f., 867; Z. Němec, Weberova pražská léta, 1944, bes. S. 39, 109, 149, 275, 277; Listy z dějin českého divadla 1, 1953, S. 9, 21, 2, 1954, S. 17, 34f.; Dějiny českého divadla, red. J. Vondráček, 1, 1956, S. 390, 2, S. 14, 126, 128, 130, 133, 193, 406; Dějiny českého divadla 2, 1969, S. 147–150, 232, 390; E. Hanslick, Aus meinem Leben, 1987, s. Reg.; Národní archiv, Praha, CZ.
(J. Ludvová)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)