Becke, Friedrich Johann Karl (1855–1931), Mineraloge und Petrograph

Becke Friedrich Johann Karl, Mineraloge und Petrograph. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 31. 12. 1855; gest. Wien, 18. 6. 1931 (beigesetzt: Weidling, Niederösterreich); röm.-kath. Sohn des Buchhändlers und ab 1866 Beamten der Kaiser-Franz-Josephs-Bahn Friedrich Becke und von Friederike Becke, geb. Brehm, verehelicht mit Wilhelmine (Minna) Schuster (gest. Wien, 1944), der Schwester von →Max Schuster. – Nach dem Besuch der Gymnasien in Prag, Pilsen, Budweis und des Schottengymnasiums in Wien studierte B. ab 1874 Naturgeschichte für das Lehramt an der philosophischen Fakultät der Universität Wien. Unter dem Einfluss von Gustav Tschermak von Seysenegg wandte er sich dem Studium der Mineralogie zu. 1878 erhielt er einen Assistentenposten am Institut für Mineralogie und Petrographie; 1880 Dr. phil. 1881 habilitierte sich B. für Petrographie und lehrte ab 1882 als ao. Prof. an der Universität Czernowitz; 1886 o. Prof. 1890 folgte B. Viktor Leopold von Zepharovich in leitender Stellung am Mineralogischen Institut der deutschen Universität Prag nach, 1898 kehrte er als Nachfolger →Albrecht Schraufs am Mineralogischen Museum an die Universität Wien zurück. Ab 1907 leitete er bis zu seiner Pensionierung 1927 das Institut für Mineralogie und Petrographie; 1918/19 Rektor der Universität Wien. In seinem wissenschaftlichen Werk befasste sich B. mit allen Bereichen der Mineralogie und Petrographie. Er führte zunächst die von Tschermak von Seysenegg begonnenen fundamentalen Untersuchungen an Feldspäten und deren optischer Charakterisierung weiter. Die Forschungen in Wien basierten v. a. auf optischen Arbeitsmethoden, wie die von ihm begründete Lichtlinienmethode – später als Beckeʼsche Lichtlinie bezeichnet – zur Bestimmung der Brechungsexponenten von Mineralen und zur Bestimmung der optischen Dispersion. Ebenso führte er einen Zeichentisch für die Achsenwinkelmessungen am Konoskop ein. Nach anfänglichen kristallographischen Untersuchungen wandte sich B. petrographischen Studien zu. Hier zeichnete sich bereits die erste große moderne Untersuchung an metamorphen Gesteinen des Waldviertels ab. B. erkannte, dass zwischen Mineralbestand und Chemismus der Gesteine und der geologisch-tektonischen Bedingtheit ein enger Zusammenhang bestand. 1909 führte er den Begriff der Diaphthorese ein, der besagt, dass Gesteine höheren Metamorphosegrades unter Gefügedeformation in solche geringerer Metamorphose umgeprägt werden. Während seiner Professur in Czernowitz (Černivci) setzte B. zur genaueren petrographischen Untersuchung das Verfahren des Ätzens und Färbens an Dünnschliffen ein. Dabei gelang es ihm, die Unterscheidung der Pole der trigonalen Achsen bei Zinkblende nachzuweisen. Sein Name ging mit den Bezeichnungen der chemischen Verbindungen „Beckelith“ und „Friedrichbeckeit“ in die mineralogische Nomenklatur ein. B. war Herausgeber von „Tschermaks Mineralogischen und Petrographischen Mittheilungen“ und Mitherausgeber des 3. Bands des „Mineralogischen Lexicons für das Kaiserthum Österreich“ von Zepharovich, 1893. Weiters bearbeitete er die 7. (1915), 8. (1921) und 9. (1923) Aufl. von Tschermaks „Lehrbuch der Mineralogie“. Seine Feldbücher (in Privatbesitz) mit optischen Daten seiner Messungen an Feldspäten und Zeichnungen von idealisierten Kristallen zeugen von seiner exakten Beobachtungsgabe. In seinen letzten Veröffentlichungen widmete er sich der Systematik und Nomenklatur der 32 Symmetrieklassen. Er engagierte sich auch in der Volksbildung, u. a. zählte er 1901 zu den Gründern des Wiener Volksheims in Ottakring. 1901 gehörte B. zu den Gründungsmitgliedern der Wiener Mineralogischen Gesellschaft (1931 Ehrenvorsitz). Ab 1892 korrespondierendes Mitglied, war er ab 1898 wirkliches Mitglied der (kaiserlichen) Akademie der Wissenschaften in Wien und 1911–29 deren Generalsekretär. Die Preußische Akademie der Wissenschaften sowie die Akademien von Budapest, Göttingen, München, Petersburg und Rom wählten ihn zum korrespondierenden Mitglied. Er erhielt die Wollaston-Medaille der Geologischen Gesellschaft in London und die Eduard-Sueß-Medaille der Wiener Geologischen Gesellschaft. Dr. h. c. der Universität in Oslo.

W.: s. NDB; Poggendorff; Köhler; Tertsch, 1956; Hamilton.
N.: Almanach Wien 82, 1932, S. 290–295 (m. B.).
L.: Czeike; NDB (m. W. u. L.); Poggendorff 4–7a (m. W.); A. Köhler, Verzeichnis der Arbeiten F. B.s nach Jahren geordnet, in: Tschermaks Mineralogische und Petrographische Mitteilungen 38, 1925, S. VII-XIX (m. W.); A. Himmelbauer, Zur Erinnerung an F. B., ebd. 42, 1931, S. I-VII; F. E. Suess, F. B., in: Mitteilungen der Geologischen Gesellschaft in Wien 24, 1932, S. 137–146; H. Tertsch, Mein Lehrer – Zu F. B.s 100. Geburtstag, in: Der Karinthin 30, 1955, S. 86–94; ders., Erinnerungen an F. B. (= Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft 4), 1956 (m. W.); W. Filla, Weltbekannter Mineraloge und Volksbildner …, in: Verein zur Geschichte der Volkshochschulen. Mitteilungen 4, 1993, S. 17–23 (m. B.); V. M. F. Hammer – F. Pertlik, Ein Beitrag zur Geschichte des Vereins „Wiener Mineralogische Gesellschaft“…, in: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft 146, 2001, S. 407–416; dies., Das wissenschaftliche Erbe von G. Tschermak-Seysenegg (1836–1927), ebd. 155, 2009, S. 189–230 (m. B.); M. Hamilton, Die Schüler F. J. K. B.s an der Universität Wien …, rer. nat. Diss. Wien, 2009, bes. S. 14–24 (m. B. u. W.); Ch. L. Lengauer u. a., Friedrichbeckeite …, in: Mineralogy and Petrology 96, 2009, S. 221–232; UA, Wien.
(M. Hamilton)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 62
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