Dobrowsky, Josef (1889–1964), Maler

Dobrowsky Josef, Maler. Geb. Karlsbad, Böhmen (Karlovy Vary, CZ), 22. 9. 1889; gest. Tullnerbach (Niederösterreich), 9. 1. 1964 (begraben: St. Margarethen im Burgenland); röm.-kath. Sohn des Juweliers Karl Ludwig Dobrowsky (geb. Prag, Böhmen / Praha, CZ, 17. 5. 1856; gest. Wien, 13. 12. 1915) und von Amalia Dobrowsky, geb. Puschmann (1856–1940), Urgroßneffe von →Josef Dobrovsky; ab 1915 verheiratet mit Theresia Mayer (geb. Ybbs, Niederösterreich / Ybbs an der Donau, 31. 1. 1889; gest. Eisenstadt, Burgenland, 4. 1. 1972). – Nachdem er seine Kindheit zwischen Wien, Prag und Karlsbad verbracht hatte, studierte D. 1906–10 Malerei an der Wiener Akademie der bildenden Künste u. a. bei →Christian Griepenkerl und →Julius Schmid. Zu seinen Kommilitonen zählten etwa →Anton Faistauer, Sebastian Isepp, Ferdinand Kitt, →Anton Kolig und →Egon Schiele. 1910 wechselte er an die Spezialschule von →Rudolf Bacher und setzte das Studium trotz mehrmaliger Unterbrechung wegen seines Militärdiensts bis 1914 fort. Mit Beginn des 1. Weltkriegs wurde D. bis März 1918 von der Akademie beurlaubt. Er diente an der östlichen (1914–15) und südlichen (1916–17) Front. Hier entstanden Lithographien und Holzschnitte. 1918 nahm er das Studium wieder auf und ging im September als Kriegsmaler nach Galizien. 1919 schloss er das Akademiestudium ab (1909 Lampi-Preis, 1911 Spezialschul-Preis, 1913 Hof-Preis, 1918 Klieber-Preis), wurde Mitglied der Wiener Secession und stellte hier bis 1937 regelmäßig aus („Die Armen im Geiste“, Universität für angewandte Kunst). Das Frühwerk (bis 1919/20) umfasst v. a. allegorische Darstellungen, religiöse und mythologische Sujets oder Kriegsbilder, wobei sich die künstlerische Auseinandersetzung mit →Albin Egger-Lienz, Ferdinand Hodler oder →Gustav Klimt zeigt. Ab 1920 beschäftigte D. sich intensiv mit altniederländischer Malerei, v. a. mit Pieter Bruegel d. Ä. und Rembrandt van Rijn. Von 1920 bis zu seinem Lebensende hielt er sich immer wieder in Ybbs auf, wo u. a. zahlreiche Studien und Stadtansichten entstanden, so „Kirchplatz in Ybbs“, 1929 (Österreichische Galerie Belvedere, Wien). Ab 1923 wurden Landschaften, Porträts und Blumenstillleben zentraler. Weiters begann D. sich mehr mit den Mitteln der Malerei selbst zu beschäftigen, mit Farben, Formen und Flächen, auch im Zusammenhang mit seinen Aufzeichnungen meteorologischer Phänomene: So lässt sich etwa in seiner Darstellung von Schnee eine eingehende Auseinandersetzung mit der Farbe Weiß nachvollziehen. Spätestens ab 1927 (bis 1936) traf sich der sogenannte Künstlerkreis der Fünf, dann auch als Neumarkrunde bezeichnet, bestehend aus D., Ernst Huber, Kitt, Sergius Pauser, Franz von Zülow, bei dem Kunsthändler und Mäzen Ludwig Neumark. Im Sommer 1930 wurde die Zinkenbacher Malerkolonie (bis 1938) von Huber und Kitt gegründet, der neben D. auch Georg Ehrlich, Ludwig Heinrich Jungnickel und Georg Merkel angehörten. Im Sommer 1937 ließ →Adolf Hitler im Haus der Deutschen Kunst in München Werke von D. für die erste Große Deutsche Kunstausstellung entfernen. D. entschied sich 1938, in Wien zu bleiben; hier sicherten private Aufträge seine Existenz. An der Ausstellung „Berge und Menschen der Ostmark“ im Künstlerhaus nahm D. 1939 teil und trat nach der erzwungenen Selbstauflösung der Secession dem Künstlerhaus bei. 1947 wurde er zum ao. Professor für Malerei an der Wiener Akademie der bildenden Künste ernannt, 1954 tit. o. Professor, 1956 o. Professor (im selben Jahr widmete ihm die Akademie eine Personale), 1960 emeritiert. In den 1940er-Jahren begann D. die Farbe freier und pastoser einzusetzen. 1949 hielt er sich erstmals in St. Margarethen auf, in der Folge entstanden zahlreiche Arbeiten zur burgenländischen Landschaft in helleren und leuchtenderen Farbtönen. Stets dachte D. die Wahrnehmung von Form und Farbe durch den Betrachter mit und rückte in seinem experimentierfreudigeren Spätwerk die Rolle der Farbe in den Mittelpunkt. Aus diesen Errungenschaften profitierten D.s Schüler Wolfgang Hollegha, Alfred Hrdlicka und Josef Mikl. Gesundheitliche Probleme ermöglichten D. später nur noch eingeschränktes Arbeiten. Er präsentierte seine Bilder auf zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen, u. a. in der Prager Secession (1929, 1936), 1930 in Ostrava, Brünn, Warschau und New York sowie in Deutschland, auf der Biennale in Venedig (1932, 1934, 1936, 1950 und 1956), 1936 folgten Beteiligungen in Graz, Pittsburgh und Budapest, 1937 zeigte D. Werke in der New Yorker Marie Harriman Gallery und war u. a. an der Ausstellung Österreichische Kunst in der Galerie nationale du Jeu de Paume (Paris) beteiligt. Die Wiener Galerie Welz (Würthle) widmete D. 1940 eine große Ausstellung, 1955 fand in der Secession die Kollektivausstellung mit rund 150 Werken statt. D. schuf ein umfangreiches Œuvre von ca. 2.500 Gemälden und geschätzten 10.000 Arbeiten auf Papier. Zu Lebzeiten hat die Kunstkritik D.s Arbeiten häufig in metaphysische Zusammenhänge gestellt, heute wird das Werk eher als rational bzw. beobachtend-positivistisch betrachtet. In Tagebüchern hielt D. theoretische Überlegungen zur Malerei fest und notierte fast sein ganzes Leben lang Wetterdaten in Notizbüchern. Dieser empirische Zugang zeigt sich in der Untersuchung der Umwelt mit den Mitteln der Malerei, so besonders in den Winterlandschaften. D. erhielt u. a. 1930 den Kunstpreis der Stadt Wien, 1932 die Goldene Staatsmedaille, 1934 den Professorentitel, 1936 und 1962 den Großen Österreichischen Staatspreis für bildende Kunst, 1949 den Kulturpreis der Stadt Wien. 1919–39 und wieder ab 1946 war er Mitglied der Wiener Secession (1959 Ehrenmitglied), 1939–46 der Gesellschaft bildender Künstler Wiens (Künstlerhaus), ab 1934 der Prager Secession. D.s Grabmal wurde von Fritz Wotruba gestaltet.

Weitere W. (s. auch Gryska): Häuser am Abend, 1927 (Österreichische Galerie); Eichelhof bei Nußdorf, 1929; Dame in Grün, 1931, Weihnachtsmarkt, 1931 (beide Wien Museum).
L.: AKL; Czeike; ÖKL; Thieme–Becker; Vollmer; E. Schiele und seine Zeit, ed. K. A. Schröder – H. Szeemann, Zürich 1988, S. 66ff. (Kat.); H. Giese, in: Parnass 13, 1993, H. 2, S. 24ff.; M.-Th. Gryska, J. D. (1889–1964), geistes- und kulturwiss. DA Wien, 2001 (mit Bild und tw. W.); J. D. 1889–1964, ed. H. Zemen, 2. Aufl. 2007 (mit Bild); J. D., 1889–1964. Briefe an F. Kitt und R. Schussek, ed. H. Zemen, 2010; J. D. Wahrnehmung und Farbe, ed. A. Husslein-Arco – A. Köhne, Wien 2014 (Kat., mit Bild); J. D. 1889–1964. Aufzeichnungen …, ed. H. Zemen, 2015 (mit Bild); J. D. und seine Freunde in Zinkenbach, Zinkenbach 2015 (Kat., mit Bild); ABK, Wien.
(A. Köhne)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)