Ernst, Leopold (1808–1862), Architekt, Steinmetz und Maler

Ernst Leopold, Architekt, Steinmetz und Maler. Geb. Wien, 14. 10. 1808; gest. ebd., 17. 10. 1862; röm.-kath. Sohn des Kaufmanns Franz Ernst und von Josepha Ernst, geb. Stöger, Vater des Architekten Hugo Ernst (1840–1930) und von →Anton Kerner von Marilaun; ab 1838 mit Eleonore Hertl verheiratet. – E. besuchte 1821–22 an der Akademie der bildenden Künste zunächst die Graveurschule, 1822–25 und 1827–31 die Architekturschule bei →Peter Nobile (1825 Gundel-Preis). 1823–26 absolvierte er eine Bau- und Steinmetzlehre bei Andreas Lechner und bildete sich in den Jahren 1825–31 (mit Unterbrechungen) am polytechnischen Institut in Wien weiter. Nach dem Studienabschluss unternahm er mit seinem Studienfreund →Friedrich von Amerling eine zweijährige Reise nach Italien. Nach seiner Rückkehr war E. vorerst als Porträtmaler tätig. 1835 erhielt er eine Anstellung bei August Ferdinand Graf Breuner-Enckevoirth, der ihn mit dem Um- und Ausbau von Schloss Grafenegg betraute, mit dem er in der Folge bis an sein Lebensende befasst war. E. gestaltete das Schloss und die zum Teil neu errichteten Nebengebäude mit äußerst phantasievollen neogotischen Formulierungen, wodurch Grafenegg heute zu den bemerkenswertesten Schlossbauten des romantischen Historismus zählt. 1841 bereiste er Istrien, Dalmatien, Oberitalien und Süddeutschland, 1849–53 war E. im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten tätig. Bedeutung für Wien erlangte er allerdings durch seine Berufung zum Dombaumeister von St. Stephan (1853), ein Amt, das er bis zu seinem Tod bekleidete. Er versah die Langhausgiebel, die bislang nur mit Malereien ausgeschmückt waren, mit Maßwerk und war auch für die Erneuerung der Südturmspitze verantwortlich. Seine Pläne, den Nordturm fertigzustellen und die Westfassade im gotischen Stil zu erneuern, fanden aufgrund neu einsetzender Strömungen hin zu einer konservierenden Denkmalpflege keine Realisierung. Seine für den Eigenbedarf errichtete großzügig dimensionierte Villa (Villa Leopold Ernst, 1860, Wien 4) zählt zu den wenigen Profanbauten in Wien, die neogotische Formulierungen aufweisen. Daneben setzte sich E. intensiv mit dem Studium der mittelalterlichen Architektur auseinander und publizierte gemeinsam mit Leopold Oescher „Bau-Denkmale des Mittelalters im Erzherzogthum Oesterreich“ (4 Bde., 1846–47) für Studien- und Lehrzwecke. Zeit seines Lebens war er auch als Maler tätig, wobei er für seine Ölgemälde v. a. Architekturmotive wählte. E. war vielseitig interessiert und engagiert: Er wirkte als Mitglied des Niederösterreichischen Gewerbevereins, für den er einen neuen Lehrplan für gewerbliches Zeichnen erarbeitete, ab 1846 als Mitglied des Albrecht-Dürer-Vereins und ab 1848 als wirkliches Mitglied der Akademie der bildenden Künste, für die er Reformvorschläge entwickelte; beim Wettbewerb um den Stadterweiterungsplan von Wien 1858 fungierte E. als Juror.

Weitere W. (s. auch Architektenlexikon): Kapelle für Moritz Graf von Strachwitz, 1841 (Šebetov); Dekorationen der drei großen Säle im Niederösterreichischen Landhaus zu Wien, 1845–46. – Publ.: Gothische Briefe, 1854; Architektonische Erörterungen, 1855.
L.: ADB; AKL; Czeike (mit Bild); Die Wr. Ringstraße 2–4, 7; Thieme-Becker; W. Wagner, Die Geschichte der Akademie der bildenden Künste in Wien, 1967, s. Reg.; W. Kitlitschka, in: Alte und moderne Kunst 20, 1975 (Sonderheft), S. 44ff.; Historismus und Schloßbau, ed. R. Wagner-Rieger – W. Krause, 1975, s. Reg.; W. Bandion, Steinerne Zeugen des Glaubens, 1989, S. 30; Geschichte der Bildenden Kunst in Österreich 5, ed. G. Frodl, 2002, S. 195ff.; Architektenlexikon Wien 1770–1945 (mit Bild und W., Zugriff 15. 3. 2016); ABK, TU, beide Wien.
(I. Scheidl)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 3, 1956), S. 265
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