Esterházy von Galántha, Miksa Ernő Móric Graf; Ps. Viator (1837–1883), Sportler, Journalist und Diplomat

Esterházy von Galántha Miksa Ernő Móric Graf, Ps. Viator, Sportler, Journalist und Diplomat. Geb. Wien, 14. 5. 1837; gest. Totis (Tata, H), 5. 8. 1883; röm.-kath. Aus der jüngeren, gräflich Forchtenstein’schen Linie des Magnatengeschlechts stammend. Sohn von Miklós Ferenc Graf Esterházy von Galántha (geb. Wien, 8. 2. 1804; gest. Totis, 3. 11. 1885), Gründer eines Krankenhauses sowie einer Mädchenerziehungsanstalt in Totis, und von Maria Gräfin Esterházy von Galántha, geb. Gräfin Plettenberg-Mietingen (geb. 22. 3. 1809; gest. Wien, 22. 7. 1861), Bruder des Pferdezüchters, Sportlers, Mäzens und Gründers des Wiener Jockey Clubs Miklós József Graf Esterházy von Galántha (geb. Wien, 5. 12. 1839; gest. Totis, 7. 5. 1897), genannt Sport-Niki; ab 1870 verheiratet mit Sarah Virginia Gräfin Esterházy Galántha, geb. Carroll (geb. 31. 8. 1840; gest. London, GB, 1917), Witwe nach dem US-General Charles Griffin. – E. studierte in England an den Universitäten Oxford und Cambridge. Der alten Familientradition folgend, trat er in den diplomatischen Dienst ein. 1861–68 wirkte er als Attaché in Berlin, Paris und London, 1868–75 an der diplomatischen Vertretung in Washington. 1875 trat er aus dem diplomatischen Dienst aus, kehrte nach Ungarn zurück und widmete sich fortan der Sportorganisation. Während seines Aufenthalts in England und den USA wurde E. Zeuge der zunehmenden Verbreitung, Etablierung und Institutionalisierung des (Athletik-)Sports, der sowohl den Gedanken des Leistungsprinzips als auch der Freizeitgestaltung in sich trug und letzten Endes – trotz der anfangs aristokratisch-individualistischen Züge – die Ausübung für breite Bevölkerungsschichten ermöglichte. Das Konzept bildete einen Gegensatz zu der Friedrich Ludwig Jahn’schen – damals auch in Ungarn vorherrschenden – kollektivistisch ausgerichteten, national ideologisierten Turnbewegung, aber auch zu den kostspieligen etablierten Sportarten (z. B. Jagdsportarten oder Reiten), die ausschließlich der wohlhabenden Aristokratie vorbehalten waren. Ab 1874 publizierte E. in der Sportzeitung „Vadász- és Verseny-Lap“ regelmäßig Beiträge über Athletik sowie über die Gründung und Organisation von Sportvereinen nach englischem Vorbild. Sein Athletikbegriff umfasste auf der Ebene der Organisation das im Rahmen einer Vereinsstruktur stattfindende, wettkampfmäßige Ausüben von Sportarten, auf der Ebene der Disziplinen wiederum sowohl die heute unter dem Begriff der Leichtathletik subsummierten Lauf-, Sprung- und Wurf-Disziplinen als auch Kampf-, Kraft-, Geschwindigkeits-, Boots- und Ballsportarten. 1875 initiierten E. und der siebenbürgische Jurist und Journalist Lajos Molnár die Gründung des Magyar Athletikai Club, des ersten Athletikvereins in Kontinentaleuropa, als dessen Präsident E. 1875–83 fungierte. Im Mai 1875 organisierte er den ersten Freiluft-Athletikwettkampf in Ungarn und veröffentlichte ein Kurzhandbuch des Laufsports „Gyalogolási kalauz“. 1876 folgte die Flugschrift „Útmutató az athletikai clubok alakítására“, eine Anleitung zur Gründung von Sportvereinen, 1879 die gemeinsam mit Molnár konzipierte und verfasste Monographie „Athletikai gyakorlatok“, in der die gängigen Sportarten und Trainingsmethoden der Zeit ausführlich behandelt werden. E., der persönlich hauptsächlich den Boxsport betrieb, erstellte als Erster in Ungarn Systeme und Reglements für Sportvereine sowie für Wettkämpfe und trug damit maßgeblich zur Entwicklung des Sportwesens bei. E. war ab den 1860er-Jahren Mitglied der Magnatentafel des ungarischen Reichstags.

L.: Das geistige Ungarn; M. Életr. Lex.; Pallas; Révai; Szinnyei; ÚMÉL; L. Hentaller, Gróf E. M. emlékezete, 1894; F. Zuber, A Magyar Athletikai Club története 1875–1925, 1925; L. Siklóssy, A modern sportélet előkészítése, 1929, S. 22ff.; Új idők lexikona 9, 1938; Sportlexikon 1, ed. L. Nádori, 1986; É. Földes u. a., A magyar testnevelés és sport története, 1989, s. Reg.; P. Gulyás, Magyar írók élete és munkái 7, 1990; Magyar nagylexikon 7, 1998; Veszprém megyei életrajzi lexikon, 1998; B. Fatuska, in: Komárom-Esztergom Megyei Múzeumok Közleményei 8, 2001, S. 247ff.; M. Hadas, A maszkulinitás társadalmi konstrukciói és reprezentációi, 2009, S. 71ff.; S. Patel, Adeliges Familienleben, weibliche Schreibpraxis. Die Tagebücher der Maria E.-G. (1809–1861), 2015, passim.
(Á. Z. Bernád)  
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)