Freissler (Freisler, Freihsler, Freißler), Anton (1838–1916), Techniker, Fabrikant und Politiker

Freissler (Freisler, Freihsler, Freißler) Anton, Techniker, Fabrikant und Politiker. Geb. Klantendorf, Mähren (Kujavy, CZ), 13. 3. 1838; gest. Hinterbrühl (Niederösterreich), 29. 2. 1916; röm.-kath. Bauernsohn, Onkel des Aufzugsexperten Franz Freissler; ab 1869 mit Josefine Heidenwag, der Tochter eines Schlossers, verheiratet. – Nach dem Schulbesuch in Troppau absolvierte F. den einjährigen Vorbereitungskurs am polytechnischen Institut in Wien. Er studierte anschließend an der technischen Lehranstalt in Brünn und ab 1859/60 neuerlich am Wiener Polytechnikum, wo er 1861 die II. Staatsprüfung ablegte. Unmittelbar nach Studienabschluss erhielt er seine erste Anstellung in der Maschinenfabrik Ferdinand Dolainsky sowie ab 1866 bei den Zivilingenieuren Erb & Henrici, die sich mit der Errichtung von Wasserleitungen im Zuge des Ringstraßenbaus beschäftigten. Als Mitglied des Niederösterreichischen Gewerbevereins reiste F. 1867 zur Pariser Weltausstellung. Hier lernte er die spektakulären Hebevorrichtungen von Léon Edoux kennen. Schon ein Jahr später machte sich F. selbstständig und übernahm in Wien 4 eine Schlosserwerkstätte. Produktionsschwerpunkt war die Herstellung von Aufzügen, wofür er ein eigenes hydraulisches Antriebssystem entwickelt und zum Patent eingereicht hatte. 1869 errichtete er im Palais Liebig, Wipplingerstraße (Wien 1), den ersten (hydraulischen) Personenaufzug der Stadt. 1873 nahm er mit gleich mehreren Aufzugsmodellen an der Wiener Weltausstellung teil. Einige Jahre engagierte sich F. auch in der Lokalpolitik: 1875–78 war er für die Liberalen im Wiener Gemeinderat tätig. 1883 präsentierte er in der Rotunde den ersten elektrischen Personenaufzug der Monarchie. Im Folgejahr wurde F. für seine Verdienste zum k. k. Hof-Maschinenfabrikanten ernannt. Den Firmensitz verlegte er 1885 an den Erlachplatz (Wien 10), wo ein riesiges Fabriksareal entstand. Mehr als hundert Personenaufzüge jährlich verließen in Spitzenzeiten die Fabrik. Im Juni 1891 feierte man die Produktion des 3.000sten Aufzugs. 1895 erfolgte die Gründung einer Schwesterfabrik in Budapest. Im In- und Ausland entstanden viel beachtete Prestigeprojekte, darunter elektrische Aufzüge auf den Mönchsberg in Salzburg und den Laurenziberg in Prag sowie riesige Hebewerke für Waggons und Lokomotiven in Wien. Ab 1910 wurden zusätzlich Paternoster-Aufzüge produziert. Der Absatzmarkt ging weit über Österreich-Ungarn hinaus, man exportierte nach Russland, in die Schweiz, nach Italien und Spanien, in die Balkanstaaten und nach Ägypten. Das Unternehmen blieb weiterhin innovativ. Neben permanent verbesserten Sicherheitstechniken führte F. mit der Verbreitung von selbstfahrenden Aufzügen auch eine weiterentwickelte Druckknopfsteuerung und präzisere Regelungseinrichtung ein. F. war als Aufzugspionier geehrt und anerkannt. Er war Mitglied im Verein der Montan-, Eisen- und Maschinenindustriellen in Österreich (1890) und im Elektrotechnischen Verein in Wien (1901). Schon einige Jahre vor seinem Tod hatte er die Firmenleitung an Max Steskal übertragen, dem 1920 sein Neffe Franz Freissler, ebenfalls erfahrener Aufzugsexperte, nachfolgte. Das Unternehmen blieb bis 1969 in Familienbesitz, dann wurde es vom US-amerikanischen Konzern Otis übernommen. F.s Teilnachlass sowie der Nachlass der Firma Freissler befinden sich im Technischen Museum Wien.

W.: Ueber Aufzüge, in: ZÖIAV 26, 1874; Ueber Personenaufzüge, ebd. 49, 1897; Die elektrischen Waggonhebewerke am Bahnhof Hauptzollamt in Wien, ebd. 52, 1900; Lebenserinnerungen, 1910 (Manuskript, Technisches Museum Wien).
L.: WZ, 28. 2. 2016 (mit Bild); F. Dittes, in: Blätter für Technikgeschichte 20, 1958, S. 63ff. (mit Bild); H. Sippl, „Freissler“ und die österreichische Aufzugsindustrie 1868 bis 1969, 2010, S. 25ff. (mit Bild); R. Sandgruber, Traumzeit für Millionäre, 2013, S. 342; P. Payer, Auf und Ab. Eine Kulturgeschichte des Aufzugs in Wien, 2018, S. 18ff., 26, 42ff. (mit Bild); Wien Geschichte Wiki (Zugriff 14. 11. 2017); Technisches Museum Wien; Pfarre Hinterbrühl, Niederösterreich.
(P. Payer)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)