Hagenauer, Carl Rudolf (1872–1928), Kunsthandwerker, Gold- und Silberschmied

Hagenauer Carl Rudolf, Kunsthandwerker, Gold- und Silberschmied. Geb. Wien, 30. 7. 1872; gest. ebd., 19. 8. 1928; röm.-kath. Sohn des Lohndieners Karl Hagenauer und von Anna Hagenauer, geb. Kopecky, Vater von →Karl Hagenauer und →Franz Hagenauer; verheiratet mit Ottilie Hagenauer, geb. Zentner (geb. Wien, 5. 7. 1875; gest. 1952). – H. absolvierte seine Lehre als Ziseleur und Gürtler in der Silberwarenfabrik Carl Würbel und Vinzenz Czokally in Wien. Seine Gesellenzeit führte ihn zum Goldschmiedemeister Samu Bernauer nach Pressburg, seine Meisterprüfung legte er 1898 ab. Die Ausbildung H.s orientierte sich vornehmlich an historischen Vorbildern. Sein Meisterstück, ein goldener Fürstenbecher anlässlich der Eröffnung des Kanals durch das Eiserne Tor, zeigt sich formal der Renaissance verpflichtet. Teile davon wurden unter seiner Leitung 1896 in Budapest erzeugt, da es ein ungarisches Fabrikat sein musste. Nach seiner Prüfung gründete H. in Pressburg eine metallverarbeitende Werkstätte, 1901 übersiedelte das junge Unternehmen Hagenauer Karl, Ziseleur & Bildhauer nach Wien 7. Der Betrieb widmete sich vorerst der Erzeugung von klassischen Wiener Bronzewaren nach eigenen und fremden Entwürfen sowie antiken Vorbildern in historisierendem Stil. Um 1900 übernahm H. Stiltendenzen des linearen Jugendstils. Ein frühes Zeugnis dieser „modernen Geschmacksrichtung“ stellt eine Aschenschale aus Bronze dar, aus deren naturalistisch fließendem Wasserstrudel, asymmetrisch arrangiert, ein dreidimensionaler Fischkopf ragt (um 1898). Möbelbeschläge aus Bronze (um 1900) wurden zu stilisierten floralen Motiven gegossen und scheinen vergleichbare Arbeiten von Hector Guimard vorwegzunehmen. Um 1909 veränderten sich Form und Dekor der Erzeugungen unter dem Einfluss der Wiener Werkstätte. Einen zusätzlichen Bezugspunkt bildete die geschäftliche Zusammenarbeit der Betriebe. Die Firma Hagenauer übernahm die Ausführungen einiger Entwürfe der Wiener Werkstätte, wie etwa eines Teeservices in Messing (1911), entworfen von →Josef Hoffmann. Zu den Produktionen H.s nach eigenen Entwürfen zählten Darstellungen von Menschen und Tieren, funktionalisiert zu dekorativen Gebrauchsgegenständen wie Lampenfüßen, Aschenbechern, Briefbeschwerern, Buchstützen, Aschentötern, Stempeln, Flaschenöffnern etc. Trotz stilistischer Anlehnung an die klaren, einfachen Formen und geometrischen Linien der Wiener Werkstätte unterscheiden sich die Objekte der Firma Hagenauer durch die serielle Produktion und die Wahl der verwendeten Materialien. Im Gegensatz zur Wiener Werkstätte, die großteils „Luxusgüter“ aus wertvollen Materialien sowie in teurer Handarbeit anfertigte, deren Erwerb nur einigen Wenigen vorbehalten war, wurden in H.s Betrieb in erster Linie kostengünstigere Werkstoffe wie Messing, Kupfer, Holz, Stein und Aluminium verarbeitet. Silber, Gold und Elfenbein kamen nur sparsam zum Einsatz. Durch geringere Produktionskosten wurde ein breiteres Publikum angesprochen und nicht zuletzt der kriegsbedingten Materialknappheit Rechnung getragen. H. war vom Kriegsdienst befreit. Nach seinem Tod übernahm sein ältester Sohn Karl 1928 die Leitung des Unternehmens. H. präsentierte seine Werke auf zahlreichen in- und ausländischen Ausstellungen: Handels- und Gewerbekammer (Wien 1890, Silbermedaille), Kunstgewerbliche Ausstellung (London 1902, Bronzemedaille), Jubiläums-Modeausstellung (Wien 1908, Silberne Staatspreismedaille), Internationale Jagdausstellung (Wien 1910, I. Staatspreis), Adriaausstellung (Wien 1913), Monza (1923, Diplom Prima Mostra Internazionale delle Arti Decorative). Seine Arbeiten finden sich im Museum für angewandte Kunst, im Leopold Museum und im Wien Museum (alle Wien) sowie im Kunsthandel.

Weitere W.: s. WHW; Hagenauer.
L.: WHW – Werkstätte Karl H. Wien, 1928, Reprint 1999 (mit W.); Werkstätten Hagenauer 1898–1971, Wien 1971 (Kat.); R. Beger, in: Weltkunst 56, 1986, S. 3366ff.; M. A. Kutschak, Franz H., DA Wien, 2002, S. 9ff.; Kunst und Auktionen 36, 2008, Nr. 19, S. 42ff.; Hagenauer. Wiener Moderne und Neue Sachlichkeit, ed. M. Wenzl-Bachmayer, Wien 2011 (Kat., mit W.); Website Galerie Hagenauer Wien (mit Bild, Zugriff 24. 4. 2018); MAK, Pfarre Schottenfeld, Universität für Angewandte Kunst, alle Wien; Mitteilung Caja Hagenauer, Wien.
(M.-L. Jesch)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)