Hauenschild, Johann (Hans) (Gottfried) (1842–1901), Naturwissenschaftler und Fabrikant

Hauenschild Johann (Hans) (Gottfried) (OSB), Naturwissenschaftler und Fabrikant. Geb. Windischgarsten (Oberösterreich), 14. 8. 1842; gest. Vouvry (CH), 26. 6. 1901; röm.-kath., ab 1872 evang. Sohn des Färberehepaars Johann Hauenschild (gest. 1846) und Elisabeth Hauenschild, geb. Gruber (gest. 1861), Vater von →Albert Hauenschild, des Kaufmanns Fritz Hauenschild, des Bildhauers Rudolf Hauenschild, des Bauingenieurs und Magnesitwerks- und Zementfabriksdirektors Wilhelm Hauenschild, des Chemikers Otto Hauenschild, des Zementfabriksdirektors Erich Hauenschild und der Porzellanfabriks-Direktorin Eninina Hauenschild; verheiratet mit der Friseurstochter Maria Theresia Hauenschild, geb. Wittmann, die als Privatlehrerin für Französisch und Klavier im Dienst des Fürsten Esterházy stand. – H.s Lehrer, der Bürgermeister von Windischgarsten Leopold Westermayr, sowie der Pfarrer Josef Thaller erkannten H.s Talent und ermöglichten ihm den Besuch des Stiftsgymnasiums in Kremsmünster, das er 1863 abschloss. Daraufhin trat er in das Benediktinerstift Kremsmünster ein und studierte 1864–69 am Stift St. Florian Theologie. Nach seiner Priesterweihe begann er in Wien ein Lehramtsstudium der Naturgeschichte, Physik und Mathematik. Außerdem besuchte er Lehrveranstaltungen in Mineralogie bei →August Emanuel von Reuss, in Petrographie bei →Gustav Tschermak von Seysenegg, dessen Privatassistent er war, in Chemie bei →Josef Redtenbacher und in Geologie bei →Eduard Sueß. Während der Ferien betrieb er wissenschaftliche Studien in den Bergen um Windischgarsten, erforschte die Kreidehöhle in Hinterstoder und begründete somit die Höhlenkunde in Oberösterreich. 1871 beendete er sein Lehramtsstudium mit der Prüfung aus Naturgeschichte für das gesamte Gymnasium und aus Mathematik und Physik für das Untergymnasium. Nach der Geburt seines Sohnes Albert verließ H. im Frühjahr 1872 den Benediktinerorden und trat zum evangelischen Glauben über. Zunächst arbeitete er als Gymnasialprofessor in Kremsmünster und als Erzieher am Wiener Hof. Parallel dazu begann er mit der Erforschung von Zement. Innerhalb weniger Jahre hielt H. zahlreiche Patente auf dem Gebiet der Zementproduktion; seine Methode des kontinuierlichen Brennens von Portlandzement in Schachtöfen revolutionierte die Zementindustrie. Er arbeitete für unterschiedliche Unternehmen: Weißzementfabrik in Mödling (1873 Direktor), Ultramarinfabrik in Weitenegg (1874 Direktor), Trifailer Zementfabrik (1874–76 Direktor), Versuchsstation für Baumaterialien in Wien (Inhaber 1876–80), Zementfabrik Greppin Vouvry in der Schweiz (1883–85 Direktor), Zementfabrik Albert Fleiner in Aarau (1885–90 Direktor). Zuletzt war er 1901 Inhaber der Technisch-Chemischen Anstalt für Zementindustrie in Berlin. Außerdem war H. Berater in geologischen und bautechnischen Fragen beim Bau der II. Wiener Hochquellwasserleitung und der Gotthardbahn in der Schweiz. 1879 veröffentlichte H. den zweibändigen „Katechismus der Baumaterialien“. Er zählte zu den Mitarbeitern des „Handbuchs der Architektur“ (ed. Eduard Schmitt, 1905), des „Lexikons der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften“ (ed. Otto Lueger, 7 Bde., 1899) und 1880–83 der „Deutschen Töpfer- und Ziegler-Zeitung“. Ab 1870 war er Korrespondent der Geologischen Reichsanstalt. H. wirkte an den internationalen Konferenzen zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsmethoden für Baumaterialien und an den Kommissionen für die Ausarbeitung der Normen für Portlandzement und Kalk mit. Vom Verein der Schweizerischen Zementfabrikanten wurde er zum Ehrenmitglied ernannt.

Weitere W. (s. auch Riepl): Das Tabakmonopol und das deutsche Volk, 1881; Liebe und Leben – ein Schicksal nach Briefen: H. H. an seine Gattin Maria, geb. Wittmann, ed. R. Stanzel, 2012.
L.: Thonindustrie-Zeitung 25, 1901, Nr. 81, S. 1f.; J. Strohmann, in: Oberösterreichische Heimatblätter 54, 2000, S. 191ff.; R. Stanzel – J. Strohmann, in: Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 146a, 2001, S. 601ff.; R. Stanzel u. a., Gedenkschrift zum 100. Geburtstag von H. H. 1842–1901, 2001 (mit Bild); F. Riepl, Die wirtschaftliche und technologische Entwicklung der Zementindustrie unter besonderer Berücksichtigung der Verdienste von H. H., historisch-kulturwissenschaftliche DA Wien, 2008 (mit W.); Zedhia, Zentraleuropäisches digitales wirtschafts- und gesellschaftshistorisches interaktives Archiv (online, Zugriff 17. 4. 2021); Technisches Museum, UA (unter Gottfried Hauenschild), beide Wien.
(S. B. Weiss)   
Zuletzt aktualisiert: 25.8.2023  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 11 (25.08.2023)