Hawle, Ignaz Alois (1785–1870), Beamter und Paläontologe

Hawle Ignaz Alois, Beamter und Paläontologe. Geb. Ginetz, Böhmen (Jince, CZ), 1. 12. 1785; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 21. 6. 1870; röm.-kath. Sohn des Beamten Ignaz Hawle und der Anna Maria Hawle, geb. Pražák; ab 1816 verheiratet mit Christina Maria Hawle, geb. Florian (1798–1859). – Über H.s Schulbildung ist nichts bekannt. Nach juridischen Studien an der Universität Prag trat er 1808 als Konzeptspraktikant im Prachiner Kreisamt in den Staatsdienst ein und wurde 1810 als Konzipist an die Hofkanzlei übernommen. 1814 als Kreiskommissär zunächst in Beraun, später in Kauřim und Klattau tätig, wurde H. 1821 zum Sekretär beim böhmischen Gubernium ernannt. 1824 zum Czaslauer Kreishauptmann und 1826 zum Gubernialrat ernannt, wechselte er 1836 als Kreishauptmann in den Berauner Kreis und wurde 1848 pensioniert. H. sammelte zumindest ab 1826 intensiv böhmische Fossilien und Gesteine und erweiterte die Sammlungen des Vaterländischen Museums in Prag mit entsprechenden Schenkungen. Auf Basis seiner Privatsammlung veröffentlichte er gemeinsam mit →August Corda 1847 das „Prodrom einer Monographie der böhmischen Trilobiten“ (auch in: Abhandlungen der königlichen Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, 5. Folge, Bd. 5, 1848), in welchem 274 neue Trilobiten-Arten aus dem älteren Paläozoikum Tschechiens beschrieben wurden. Dieses inhaltlich nicht sehr ausgereifte Werk wurde übereilt, als Manifestation böhmischen Nationalstolzes und als Reaktion auf die ersten Trilobiten-Arbeiten des französischen Paläontologen Joachim Barrande aus dem Jahr 1846 herausgegeben und erfuhr heftige Kritik aus Fachkreisen. Nach Cordas Tod 1849 versuchte H., seine fachliche Beteiligung an der Arbeit zu leugnen, und wollte Corda die alleinige Autorschaft zuschreiben. Nach modernen nomenklatorischen Gesichtspunkten gelten allerdings weiterhin H. und Corda als Verfasser der Publikation, die aus heutiger Sicht, abgesehen von der gültigen Erstbeschreibung zahlreicher Trilobiten-Arten, v. a. wegen der enthaltenen systematischen Einteilung der Gruppe oberhalb des Gattungsniveaus von Bedeutung ist. Ein kleinerer Teil (349 Stücke) der Sammlung H. ging noch 1847 an das Vaterländische Museum in Prag, den Großteil konnte Joachim Barrande in seine eigene Sammlung eingliedern und für den ersten Band seines berühmten „Systême Silurien du centre de la Bohême“ (1852) fachlich auswerten. H. stand nach 1847 in engem Kontakt mit Barrande und legte weiterhin eigene erdwissenschaftliche Sammlungen an. 1852–60 war er Ausschussmitglied, 1853–54 Geschäftsleiter des Böhmischen Museums. Nach ihm wurden 1846 eine Trilobiten-Art Dalmanites hawlei, 1852 die Arten Acidaspis hawlei, Bronteus hawlei, Cheirurus hawlei, 1890 die Art Proetus hawlei und 1957 eine Trilobiten-Gattung Hawleia benannt.

L.: WZ, 10. 2. 1821, 28. 1. 1825, 10. 2. 1836; Prager Abendblatt, 21. 6. 1870; A. Wraný, Die Pflege der Mineralogie in Böhmen, 1896, s. Reg.; R. Richter – E. Richter, in: Senckenbergiana lethaea 36, 1955, S. 407f.; F. Hemming, in: Opinions and declarations rendered by the International Commission on Zoological Nomenclature 18, 1958, Tl. 19, S. (IX)ff.; R. Horný – F. Bastl, Type Specimens of Fossils in the National Museum Prague 1: Trilobita, 1970, S. 28, 40ff.; M. Šnajdr, in: Sborník Národního Muzea v Praze 39B, 1983, S. 129ff.; J. Valíček, in: Palaeontologia Bohemiae 10, 2006, S. 11ff.; Pfarre Jince, Kostel svatého Tomáše, Praha, beide CZ; Mitteilung Martin Basse, Bochum, Ulrich Lemke, Wetter an der Ruhr, beide D.
(M. Svojtka)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)