Hülgerth, Ludwig (Heinrich) (1875–1939), Politiker und Offizier

Hülgerth Ludwig (Heinrich), Politiker und Offizier. Geb. Penzing, Niederösterreich (Wien), 26. 1. 1875; gest. Schloss Rottenstein bei St. Georgen am Längsee(Kärnten), 12. 8. 1939; röm.-kath. Sohn des Offiziers Hugo Hülgerth (geb. Czeitsch, Mähren / Čejč, CZ, 2. 6. 1839) und dessen Frau Ludovika Hülgerth, geb. The Losen, einer Postmeisterstochter; ab 1903 verheiratet mit Luise Hülgerth, geb. Hermann, der Tochter eines bayerischen Oberlandesgerichtsrats und Nichte des Kärntner Großindustriellen Franz Wirth. – H. absolvierte die deutsche Volksschule und das tschechische Untergymnasium im böhmischen Neuhaus und trat 1889 in die Infanteriekadettenschule in Wien ein. 1893 ausgemustert, war er vorerst als Kadettoffiziersstellvertreter im steirischen Feldjägerbataillon Nr. 9 in Bruck an der Mur und 1894–1906 im selben Bataillon als Kompanieoffizier und Bataillonsadjutant in Villach stationiert. 1906–12 kommandierte H. eine Kompanie des 3. Bataillons des Infanterieregiments Nr. 4 in Hermagor. In dieser Zeit konstruierte der technisch versierte Offizier eine Feldsignallaterne, deren Massenproduktion ihm später u. a. die Finanzierung seiner Jagdleidenschaft ermöglichte. 1912–14 wirkte er als Mobilisierungsreferent in Klagenfurt. Während des 1. Weltkriegs war H. zunächst als Kommandant der 2. Ersatz- und dann der 5. Feldkompanie des Gebirgsregiments Nr. 1 und von Juli bis September 1915 bei dessen Ersatzbataillon Nr. 1 als Leiter der Ausbildung für Reserveoffiziersaspiranten im Einsatz. Ab Jänner 1916 fungierte er erst als Kommandant eines kombinierten Jägerbataillons und des 1. Infanteriebataillons im Infanterieregiment Nr. 7 im Plöckengebiet und ab Ende Juni – mit Unterbrechungen – bis Mai 1917 als Kommandant des Landsturminfanteriebataillons Nr. 10 im Raum Hermagor sowie als Kommandant des Offizierskurses der 10. Armee. Von Juni bis Oktober 1917 war H. als Bataillons- und Regimentskommandant (Gebirgsregiment Nr. 1) an der 11. und 12. Isonzoschlacht beteiligt. Nach Spitalsaufenthalten in Laibach und Troppau Ende 1917 diente er von Jänner bis Mitte März 1918 als Stabsoffizier beim Ersatzbataillon des Gebirgsregiments Nr. 1, anschließend bis Mai als Bataillonskommandant im Schützenregiment Nr. 26 und schließlich von Juni bis Mitte September 1918 als Bataillons- und Regimentskommandant im Gebirgsregiment Nr. 1. Anschließend nahm er im Oktober 1918 an einem Führerkurs in Sedan teil. Anfang November 1918 wurde H. von einer Offiziersversammlung zum Oberkommandierenden des Landes Kärnten gewählt und kurz darauf vom Wehrausschuss des Vollzugsausschusses und von Vertretern des Soldatenrats einstimmig in dieser Funktion weiterbestellt. Damit wurde er beauftragt, einen militärischen und zivilen Sicherungsdienst in Kärnten zu organisieren. Noch vor Ende des Monats wurde Oberstleutnant H. seitens des Staatsamts für Heerwesen in seiner Funktion als Landesbefehlshaber des nun selbstständigen Militärkommandobereichs Kärnten bestätigt. Unterstützt vom provisorischen Landesverweser Arthur Lemisch, baute H. eine Volkswehr auf, die in den Auseinandersetzungen um die Grenzen Kärntens zunächst erfolgreich entsprechende Gebietsansprüche wahren konnte. Ende Mai bzw. Anfang Juni 1919 erteilte H. aufgrund der drückenden militärischen Überlegenheit der SHS-Truppen jedoch den Befehl zum Rückzug. Das Landesbefehlshaberamt wurde in dieser Zeit in Spittal an der Drau und wenig später in Villach eingerichtet. Anfang Juli 1919 verhandelten H., dessen Stellvertreter →Thomas Klimann und militärische Repräsentanten des SHS-Staats Details rund um Räumungsfragen betreffend die besetzte Landeshauptstadt Klagenfurt. Bis zur Kärntner Volksabstimmung im Oktober 1920 war H. in Vorarbeiten zum Plebiszit eingebunden, parallel dazu jedoch auch am Aufbau eines österreichischen Bundesheers beteiligt und offensichtlich daneben zugunsten Oberschlesiens engagiert (Verleihung eines „Vorläufigen Besitzzeugnisses“ betreffend eine Auszeichnung für „Verdienste um den Schutz Oberschlesiens“, ausgestellt Ende September 1921). Im Mai 1923 verließ H. Kärnten und übernahm für rund drei Monate das Kommando des Infanteriebataillons Nr. 1 mit Sitz in Eisenstadt und ab August 1923 jenes des Infanterieregiments Nr. 5 in Wien. Einem Ansuchen um Pensionierung des in der Zwischenzeit zum Generalmajor beförderten Offiziers wurde von Heeresminister →Carl Vaugoin mit dem Hinweis auf die Unabkömmlichkeit H.s beim Aufbau einer entpolitisierten Armee nicht stattgegeben. H. blieb bis Mitte 1927 als Kommandant von Infanteriekursen – vorwiegend am Truppenübungsplatz Bruck an der Leitha – aktiv. Im März 1934 wurde er zum Landeshauptmann von Kärnten bestellt. Er hatte dieses Amt bis Herbst 1936 inne, als er zum Vizekanzler ernannt wurde. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 abgesetzt, stellten die neuen Machthaber den einst als „Abgott des Kärntner Volkes“ titulierten H. lediglich – wie es scheint in loser Form – unter Hausarrest. Ausschlaggebend dafür war wohl ein wirkungsvoller Einsatz H.s für Kärntner Interessen während seiner Wiener Zeit, als er eine breite Interventionspolitik, auch zugunsten von Familienangehörigen verurteilter Nationalsozialisten, betrieben hatte. H. wurde 1917 der Orden der Eisernen Krone III. Klasse, 1927 der Titel General und 1930 das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.

W.: Der Kärntner Freiheitskampf 1918–19, in: Carinthia I, 111, 1921. – Nachlass: Schloss Rottenstein, St. Georgen am Längsee, Kärnten (Privateigentum der Familie Gorton).
L.: M. Wutte, in: Carinthia I, 130, 1940, S. 382ff.; I. Lapan, Der Kärntner Landtag von 1918–38 und die Tätigkeit der Abgeordneten, phil. Diss. Graz, 1982, S. 157ff.; E. Webernig, Der Landeshauptmann von Kärnten. Ein historisch-politischer Überblick, 1987, S. 82f. (mit Bild); AdR, KA, Pfarre Penzing, alle Wien; Kärntner Landesarchiv, Klagenfurt am Wörthersee, Pfarre St. Georgen am Längsee, beide Kärnten.
(U. Burz)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)