Keller, Karl Ludwig Adam (1879-1944), Veterinärmediziner und Biogenetiker

Keller Karl Ludwig Adam, Tiermediziner und Biogenetiker. * Wien, 26. 10. 1879; † Wien, 10. 3. 1944. Sohn des Karl Ludwig K., Mitgl. des k.k. Hofopernorchesters (* Sittendorf, N.Ö., 5. 5. 1850; † Hinterbrühl, N.Ö., 28. 7. 1926). Stud. 1898–1902 an der k.k. Tierärztlichen Hochschule in Wien; 1902 Dipl.-Tierarzt; 1. 4.–30. 8. 1902 Ass. im Schlachthaus von Karlsbad (Böhmen), 1902/03 Stadt- und Bergwerkstierarzt in Niedergeorgental (Böhmen), 1903/04 Demonstratoran der Medizin. Klinik der k. k. Tierärztlichen Hochschule Wien; 1904–12 Ass. an der Lehrkanzel für Tierproduktionslehre und Geburtshilfe ebendort; 1909 Dr. med. vet. und Habilit. für Geburtshilfe; 1912 ao. Prof.; 1915 Erweiterung der venia legendi für Tierzuchtlehre; 1916 o. Prof. für Tierzuchtlehre und Geburtshilfe; 1927–29 Rektor; 1928 Dr.med.vet. h.c. der Tierärztlichen Hochschule Hannover; 1935–40 Prüfer bei der tierärztlichen Physikatsprüfung; 1939 Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien; 1941 i.R. Von 1916 an lehrte er durch mehrere Jahre auch als Hon. Doz. für Tierhaltung an der Akad. für Brauindustrie. 1915–18 wirkte er an der Tierärztlichen Hochschule auch als Lektor für Beschirrungs- und Sattlungslehre, Pflege und Wartung der Haustiere. Das wiss. Arbeitsgebiet K.s lag größtenteils in der Grundlagenforschung für die Tierzucht und Geburtshilfe. Insbesondere Fragen der Sexualbiol. und der Genese der Geschlechtsorgane, die hormonale Intersexualität, der Ablauf des Geschlechtszyklus, die Entstehungsursachen von Mißbildungen (Schistosoma reflexum), die Zwillingsforschung und viele andere Probleme der Haustierbiol. fesselten seinen unermüdlichen Erkenntnisdrang und seine streng krit. Analysis. Seine bedeutendste Leistung, die die Kenntnisse der Embryonalentwicklung der Säugetiere maßgebend beeinflußte, war die gem. mit J. Tandler gemachte Feststellung, daß bei verschiedengeschlechtlichen Zwillingen des Rindes die Genitalentwicklung des weiblichen Fetus gehemmt wird, wenn ein gemeinsames Chorion mit starken Anastomosen der Plazentarkreisläufe eine hormonale Beeinflussung durch den männlichen Zwilling ermöglicht. Unter den 53 fachlichen Publ. sich aber auch verdienstvolle Arbeiten über die Operationstechnik der tierärztlichen Geburtshilfe. Außerdem ließ K. eine Reihe wertvoller einschlägiger Diss. in seinem Inst. bearbeiten. K. war Mitbegründer der Ges. der Tierärzte Österr. und deren Ehrenpräs., Mitgl. zahlreicher wiss., ärztlicher und tierärztlicher Organisationen.

W.: Über die Sectio caesarea conservativa beim Hunde, in: Z. für Tiermed., Bd. 11, S. 122–43, 1907; Über den Bau des Endometriums beim Hunde mit besonderer Berücksichtigung der zykl. Veränderungen an den Uterindrüsen, in: Anatom. He., Bd. 39, 1909, H. 118, S. 309–91; Die Pyometra der Hündin, in: Z. für Tiermed., Bd. 13, 1909, S. 401–20; Die Körperform des weiblichen Frühkastraten des Rindes, gem. mit J. Tandler, in: Archiv für Entwicklungsmechanik der Organismen, Bd. 31, 1910, H. 2, S. 289–306; Über das Verhalten des Chorions bei verschiedengeschlechtlicher Zwillingsgravidität des Rindes und über die Morphol. des Genitales der weiblichen Tiere, welche einer solchen Gravidität entstammen. Vorläufige Mitt. gem. mit J. Tandler, in: Dt. Tierärztliche Ws., Bd. 10, 1911, S. 148 f.; Über das Dialysierverfahren nach Abderhalden zur Diagnose der Trächtigkeit mit Berücksichtigung seiner prakt. Bedeutung, in: Wr. tierärztliche Ms., Jg. 1, 1914, H. 9, S. 425–35; Die Temperatursenkung vor der Geburt bei der Hündin, ebenda, Jg. 2, 1915, H. 6, S. 257–71; Über das Verhalten der Eihäute bei der Zwillingsträchtigkeit des Rindes, gem. mit J. Tandler, ebenda, Jg. 3, 1916, H. 12, S. 513–26; Über die Bedeutung der Mendelschen Vererbungslehre in der prakt. Tierzucht nach dem jetzigen Stande der Wiss., ebenda, Jg. 6, 1919, H. 71, S. 211–23; Zur Frage der sterilen Zwillingskälber, ebenda, Jg. 7, 1920, H. 5, S. 146–62; Zur Anatomie und Genese des Schistosoma reflexum, gem. mit F. Kermauner, in: Archiv für wiss. prakt. Tierheilkde., Bd. 46, 1920, S. 2–33; Über Geschlechtstransformation beim Säugetier, in: Wr. tierärztliche Ms., Jg. 9, 1922, H. 5, S. 193–204; Geburtshilfe bei den kleineren Haustieren, in: Th. Schmidt–E. Fröhner, Hdb. der Tierärztlichen Chirurgie und Geburtshilfe, Bd. 7, Tl. 3, 2. Aufl., 1928; Vergleichende Physiol. der weiblichen Sexualorgane bei den Säugetieren, in: J. Halban–L. Seitz, Hdb. der Biol. und Pathol. des Weibes, Bd. 1, 1929, S. 761–802; Biol. und Pathol. der Schwangerschaft und Geburt bei den Haussäugetieren, ebenda, Bd. 8, 1930, S. 81–103; Beitrr. für Tierheilkde. und Tierzucht, hrsg. von V. Stang–D. Wirth, Bd. 1–10, 1925–31.
L.: Berliner und Münchner tierärztliche Ws. und Wr. tierärztliche Ms., Jg. 1944, H. 17/18, S. 147 f.; Almanach Wien, 1944; G. Berka, 100 Jahre dt. Burschenschaft in Österr., 1959.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 13, 1963), S. 288
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