Misař, Olga; geb. Popper (1876–1950), Politikerin, Journalistin und Schriftstellerin

Misař Olga, geb. Popper, Politikerin, Journalistin und Schriftstellerin. Geb. Wien, 11. 12. 1876; gest. London (GB), 8. 10. 1950; mos., ab 1899 evang. AB. Verehelicht mit Vladimír Misař (geb. Neuhaus, Böhmen / Jindřichův Hradec, CZ, 24. 2. 1872; gest. Wien, 25. 7. 1963), Freimaurer und Großsekretär der Großloge von Österreich. – M. wuchs in Wien und England auf. Ab 1910 im Vorstand des Frauenvereins Diskutierklub tätig, war sie 1911–12 verantwortliche Redakteurin des Vereinsorgans „Mitteilungen des Österreichischen Bundes für Mutterschutz“. Danach engagierte sie sich im Allgemeinen Österreichischen Frauenverein und nahm am Internationalen Frauen-Kongress in Den Haag im April 1915 als eine der österreichischen Vertreterinnen teil. 1919 erschien ihr utopischer Entwurf „Neuen Liebesidealen entgegen“ (Neuaufl. 1947 unter dem Titel „Neue Liebesideale“). Im selben Jahr kandidierte sie bei den Nationalratswahlen erfolglos für die Demokratische Mittelstandspartei von Ernst Viktor Zenker. In der Folge publizierte sie häufig in der von →Pierre Ramus herausgegebenen zweiwöchig erscheinenden Zeitschrift „Erkenntnis und Befreiung“ sowie in der internationalen Frauen- und Friedensbewegungspresse. Ab 1921 gemeinsam mit →J(Y)ella Hertzka im Vorstand des österreichischen Zweigs der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit in der politischen Gruppe aktiv, arbeitete M. gleichzeitig für die internationale Dachorganisation Women’s League for Peace and Freedom. Ab 1923 war sie Sekretärin des Bundes für Kriegsdienstgegner und publizierte gemeinsam mit der Friedensaktivistin Martha Steinitz und der Frauenrechtlerin Helene Stöcker über „Kriegsdienstverweigerer in Deutschland und Oesterreich“ (1923). M., die schon in der ersten Hälfte der 1920er-Jahre an der Durchführung von großen Antikriegskundgebungen beteiligt war, organisierte die 2. Internationale Konferenz der Kriegsdienstgegner im Juli 1928 auf dem Sonntagberg in Niederösterreich. 1936 wurde der Bund der Kriegsdienstgegner aufgelöst, im April 1939 mussten M. und ihr Ehemann ins Exil nach England gehen. M.s Hauptbedeutung liegt in ihren transnationalen frauen- und friedenspolitischen Aktivitäten.

Weitere W.: Die Aufgabe der Frauen, in: Gewaltlosigkeit. Handbuch des aktiven Pazifismus, ed. F. Kobler, 1928; etc. – Übers.: J. W. Graham, Friedenshelden im Weltkrieg. Die Geschichte des Kampfes gegen die allgemeine Wehrpflicht in England von 1916–19, 1926.
L.: R. Flich, Frauen und Frieden, in: Überlegungen zum Frieden, ed. M. Rauchensteiner, 1987, S. 410–463; „Krieg ist Mord auf Kommando“. Bürgerliche und anarchistische Friedenskonzepte. B. v. Suttner und P. Ramus. Mit Dokumenten von L. Tolstoj ... O. M. u. a., ed. B. Müller-Kampel, 2005, S. 56, 243–254; B. Rath, O. M. oder: Die Vielfalt der Grenzüberschreitungen, in: Ariadne 57, 2010, S. 44–48.
(B. Rath)   
Zuletzt aktualisiert: 15.3.2013  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 2 (15.03.2013)