Mischler, Ernst (1857-1912), Statistiker, Finanzwissenschaftler und Sozialwissenschaftler

Mischler Ernst, Statistiker, Finanz- und Sozialwissenschafter. * Prag, 23. 12. 1857; † Wien, 28. 12. 1912. Sohn des Nationalökonomen Peter M., Prof. an der Univ. Prag; stud. an der Univ. Prag Jus, 1881 Dr.jur. Nach kurzer Beschäftigung bei einem Eisenbahnunternehmen folgte er 1881 seinem ehemaligen Lehrer Inama-Sternegg (s. d.) zur Statist. Zentralkomm., wo er bis 1888 (zuletzt als Hofkonzipist) eine vielseitige Tätigkeit entfaltete. 1884 Habil. für Statistik an der Univ. Prag, 1887 an der Univ. Wien, 1888 ao. Prof. an der Univ. Czernowitz. Dort gründete er das Statist. Landesamt des Herzogtums Bukowina, dessen Dir. er 1890 wurde, und rief die „Mitteilungen“ dieses Landesamtes ins Leben. 1891 folgte M. einer Berufung an die Dt. Univ. Prag, wo er Statistik, Finanzrecht und Sozialpolitik las. In dieser Zeit entstand sein Hauptwerk, das „Handbuch der Verwaltungs-Statistik“, in dessen 1. Tl. er die in verschiedenen Quellen verstreuten theoret. Grundlagen der Verwaltungsstatistik erstmalig in einem System darstellte und die Bedeutung der Statistik für die Verwaltung nachwies, während er sich im 2. Tl. mit der Organisation der Verwaltungsstatistik befaßte. 1893 wurde er o. Prof. an der Univ. Graz, wo er durch Verbindung der akadem. Lehr- und Forschungstätigkeit mit der prakt. Verwaltungsstatistik einen ihm sehr zusagenden Wirkungskreis fand. 1899/1900 und 1907/08 Dekan der rechts- und staatswiss. Fak. Er errichtete 1893 das Statist. Landesamt für Stmk., dessen Leitung er übernahm und bis 1911 innehatte. M., der auch an der Techn. Hochschule lehrte, war an der Schaffung des Landes-Armen- und Siechenkatasters in der Stmk. maßgeblich beteiligt und richtete die gemeinnützige Arbeitsvermittlung für Graz und Stmk. (1897) sowie den unentgeltlichen Wohnungsnachweis (1902) ein. Er gründete 1907 gem. mit Fürer die Z. „Der Arbeitsnachweis“ und war Vorsitzender beim Ver. „Allgemeine Arbeitsnachweise Österreichs“. M. war Mitgl. des Arbeitsbeirates des Arbeitsstatist. Amtes im k. k. Handelsmin. und des Landwirtschaftsrates im k. k. Ackerbaumin., hielt vielbeachtete Referate auf den Konferenzen für Landesstatistiker und erstattete eine Reihe verschiedener Gutachten. M. gehörte ab 1888 der Statist. Zentralkomm. als korr. Mitgl. an und wurde 1911 deren Präs. Er machte sich vor allem um die Aufarbeitung der Volkszählung von 1910, um die schärfere organisator. Abgrenzungen der Abt. sowie um die Schaffung einer neuen Abt. für Wirtschaftsstatistik, der er auch die Führung zahlreicher Redaktionsgeschäfte übertrug, verdient. Hinsichtlich der autonomen Statistik gelang es ihm, die bisher getrennt abgehaltenen Konferenzen der Landes- und Städtestatistiker zu vereinigen. Das Quellenwerk „Österreichische Statistik“ erfuhr durch M. in der Neuen Folge eine zeitgemäße wertvolle Ausgestaltung. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. Hon.Prof. an der Univ. Wien, Ehrenmitgl. der Ges. für Geographie und Statistik (Frankfurt a. Main), der Royal Statistical Society (London) und Mitgl. der Dt. statist. Ges.

W.: Der öffentliche Haushalt in Böhmen, 1887; Hdb. der Verwaltungs-Statistik, Bd. 1, 1892; Das Armenwesen in Stmk., in: Statist. Mitt. über Stmk., H. 1, 1896; zahlreiche Abhh. über Markenschutz, Wohnverhältnisse, Analphabetentum, Forst- und Weideservituten in Statist. Ms., Schriften des Ver. für Sozialpolitik, Jb. des öff. Rechtes, Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik, Statist. Mitt. über Stmk. etc.; Artikel für Wörterbuch der Volkswirtschaft, 2 Bde., hrsg. von L. Elster, 1898, und Hdb. des Gefängniswesens, 2 Bde., hrsg. von F. v. Holtzendorff und E. v. Jagemann, 1888. Red.: Österr. Städtebuch, 1887 ff.; Armenpflege und Wohltätigkeit in Österr., in: Österr. Wohlfahrts-Einrichtungen 1848–98, Bd. 1, 1899; Statist. Mitt. über Stmk., 1896 ff.; etc. Mithrsg.: Österr. Staatswörterbuch, gem. mit J. Ulbrich, 2 Bde., 1895–97, 2. Aufl., 4 Bde., 1905–09; Der Arbeitsnachweis, gem. mit R. v. Fürer, 1907 ff.
L.: N. Fr. Pr. vom 28. und 29. 12., Wr. Ztg. vom 29. 12. 1912; Die Furche vom 13. 12. 1947; Dt. statist. Zentralbl., 1913, S. 264; Landwirtschaftliche Mitt., 1913, n. 2, S. 15; Petermanns Mitt., Bd. 59, 1913, S. 26; Statist. Ms., NF, Jg. 18, 1913, S. 1; Feierl. Inauguration, 1913/14; Handwörterbuch der Staatswiss., 4. Aufl., Bd. 6, hrsg. von L. Elster, A. Weber und F. Wieser, 1925; W. Kosch, Biograph. Staatshdb., Bd. 2, 1963; Kosch, Das kath. Deutschland: Wer ist’s? 1905–11; Masaryk; Otto 17; Denkschrift der k. k. Statist. Zentralkomm. zur Feier ihres fünfzigjährigen Bestandes, 1913, S. 81, 96; Festschrift der Univ. Graz, 1936, S. 31.
(L. Bosse)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 29, 1975), S. 315f.
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