Niese Johanna (Hansi), Schauspielerin. * Wien, 30. 1. 1875; † Wien, 1. 5. 1934. Tochter eines aus Naumburg a. d. Saale stammenden Papierfabrikanten; besuchte die Bürgerschule in Wien-Mariahilf. Stand elfjährig im Sommer 1886 in einem Speisinger Wirtshaus erstmals auf der Bühne, als sie bei der kleinen Truppe des Schauspielers Lejeune für eine erkrankte Schauspielerin die Rolle der Franziska in L’Arronges „Hasemanns Töchter“ übernahm. Ohne in der Folge Schauspielunterricht erhalten zu haben, debut. sie 1891 am Stadttheater in Znaim, wo sie für das Fach der 1. naiven Liebhaberin engagiert war. Engagements am Saisontheater in Abbazia (1892), am Kurtheater in Gmunden (1892), am Stadttheater Czernowitz (1892/93) und am Stadttheater Karlsbad (1893) folgten. Überall zählte sie aufgrund ihres frischen temperamentvollen Spiels bald zu den beliebtesten Kräften. Im Herbst 1893 holte A. Müller (-Guttenbrunn, s. d.) N. als Soubrette an das neugegründete Raimundtheater in Wien, wo sie sich als Salome Pockerl und Rosl (beide 1895) in die erste Reihe des Ensembles spielte. Durch ihr urwüchsiges Spiel wurde sie immer öfter zum Mittelpunkt der Aufführung und bald zum Publikumsliebling. Aus der Vielzahl ihrer Erfolge in Operette, Volksstück und musikal. Posse sei stellvertretend ihre bejubelte Darstellung der Christl in dem Schwank „Im Fegefeuer“ genannt. Mit dieser Rolle hatte sie auch 1898 bei ihrem ersten Berliner Gastspiel einen Riesenerfolg. Nach einem neuerlichen Gastspiel in Berlin, diesmal am Neuen Theater bei J. Jarno (s. d.), trat sie 1900 am Theater i. d. Josefstadt, das seit Herbst 1899 unter der Dion. Jarnos stand, erstmals wieder in Wien auf. In den ersten Jahren ihrer Tätigkeit an diesem Theater wurde sie zur Charakterkomikerin und Menschendarstellerin großen Formats, eine der stärksten Persönlichkeiten des Wr. Theaterlebens. Den Hauptanteil von N.s Repertoire machten zwar weiterhin die – zumeist für sie geschriebenen – Possen, Schwänke und Operetten aus, zu deren erfolgreichsten „Die Försterchristl“ (1907) mit über 300 Aufführungen in einem Jahr zählte. Künstler. Erfüllung aber brachten ihr – und das allein zeigt schon die Spannweite ihrer darstellen Ausdrucksmöglichkeiten – G. Hauptmanns Frauengestalten aus dem Volk sowie ihre Rollen in den Stücken Schnitzlers, Molnárs und Anzengrubers (s. d.). N. war der Urtyp der Komödiantin, die letzte und vielleicht größte Wr. Volksschauspielerin. Während ihrer 41jährigen Wr. Tätigkeit zählten u. a. Girardi (s. d.), Tyrolt, Thaller, Maran, Pallenberg und Jarno zu ihren Partnern. Um ungebunden zu sein, löste sie nach wenigen Jahren die feste Verpflichtung an das Theater i. d. Josefstadt, trat aber weiterhin trotz Gastspielen an fast sämtlichen Wr. Sprechbühnen vor allem an den Bühnen Jarnos (Theater i. d. Josefstadt bis 1923, Lustspieltheater 1905–15 und 1923–27, Neues Wr. Stadttheater 1914–21, Renaissancebühne 1925–31 und Carl-Theater 1928/29) auf. In den letzten Jahren häuften sich die Auslandsgastspiele, vor allem in der Schweiz und in Deutschland. Im Stummfilm nur wenig beschäftigt, brachte erst der Tonfilm für N. große Erfolge: u. a. „Kaiserwalzer“, „Die große Liebe“, „Hochzeit am Wolfgangsee“ und vor allem „Purpur und Waschblau“ (1931). N. war ab 1899 mit Jarno verheiratet.