Schröder, (Antoinette) Sophie; geb. Bürger, verehel. Stollmers, später verehel. Kunst (1781-1868), Schauspielerin

Schröder (Antoinette) Sophie, geb. Bürger, Schauspielerin. Geb. Paderborn, Hochstift Paderborn (Deutschland), 23. 2. 1781; gest. München, Bayern (Deutschland), 25. 2. 1868. Mutter von Wilhelmine S. (s. d.), Elisabeth und Auguste S. und von Wilhelm Smets (alle s. u.). S. trat in der Wandertruppe ihrer Eltern, dann, nach der zweiten Ehe ihrer Mutter mit dem Tenoristen Adolf Keilholz, mit diesen zusammen zunächst in Kinderrollen auf; 1793 debüt. sie in St. Petersburg bei der Tillyschen Truppe als Lina in Karl Ditters v. Dittersdorfs Oper „Das rote Käppchen“. 1795 heiratete sie den Dir. des dt. Theaters in Reval (Tallinn), Johann Nikolaus Stollmers, eigentl. Smets v. Ehrenstein. Der Dichter August v. Kotzebue erkannte ihr Talent und empfahl sie ans Burgtheater nach Wien, an dem sie 1798 als Margarethe in August Wilhelm Ifflands „Die Hagestolzen“ debüt., wegen ihres geringen Erfolges aber nur ein Jahr blieb. Darauf in Breslau (Wrocław) engagiert, trennte sie sich 1799 von ihrem Mann und ging 1801 ans Hamburger Theater (Antrittsrolle als Chatinka in Franz Kratters, s. d., „Das Mädchen von Marienburg“), an dem ihr in den folgenden Jahren der Durchbruch zur gefeierten Tragödin gelang. Sie spielte u. a. die Johanna in Kotzebues „Johanna von Montfaucon“ und die Elisabeth in Schillers „Maria Stuart“, sang aber auch kleinere Rollen in Mozart-Opern. 1804 heiratete sie den Sänger und Schauspieler Friedrich Schröder (1759–1818). 1813 verließ sie Hamburg und kam über Mannheim und Frankfurt a. Main zu Johann Liebich (s. d.) ans Ständetheater in Prag. S. debüt. dort 1814 als Adelheid in August Klingemanns „Das Vehmgericht“. Ihrer großen Erfolge wegen (u. a. Lady Macbeth in Shakespeares „Macbeth“, Titelrolle in Schillers „Die Jungfrau von Orleans“) nun bereits als eine der berühmtesten Schauspielerinnen der dt. Zunge bezeichnet, wurde sie 1815 von Schreyvogel (s. d.) wieder ans Wr. Burgtheater geholt. Ihr Auftreten als Gast in der Titelrolle von Friedrich Gotters „Merope“ wurde von Publikum und Presse enthusiast. aufgenommen, das daraufhin erfolgte Engagement (1815–29) gehörte zu den Höhepunkten von S.s Karriere. Sie spielte alle damaligen klass. Frauenrollen: Orsina (Lessing, „Emilia Galotti“), Phädra (Racine, „Phädra“), Eboli (Schiller, „Don Carlos“), Isabella (Kotzebue, „Die Braut von Messina“), Lady Milford (Schiller, „Kabale und Liebe“) usw. In Wien kreierte sie auch die großen Frauengestalten in den Urauff. von Grillparzers (s. d.) Dramen: 1817 Berta Borotin in „Die Ahnfrau“, 1818 Titelrolle in „Sappho“, 1821 Medea in „Das goldene Vließ“, 1825 Margarethe in „König Ottokars Glück und Ende“, 1828 Gertrud in „Ein treuer Diener seines Herrn“. Bes. als Sappho feierte S. in der Folge Triumphe auch auf Gastspielen (u. a. München, Leipzig, Dresden), ihr Stil wurde nunmehr als „schröderisch-klassisch“ beschrieben. Nach dem Tod ihres zweiten Mannes (1818), dem eine Beziehung zu dem Maler Daffinger (s. d.) gefolgt war, ging S. 1825 eine dritte Ehe mit dem Schauspieler Wilhelm Kunst ein, von dem sie sich nach sechs Monaten aber wieder trennte. 1829 verließ sie nach einem Zerwürfnis mit der Intendanz das Wr. Burgtheater, ging nach St. Petersburg, 1831 nach München, wo sie bis 1836 am Hoftheater die großen Klassiker (u. a. ihre Glanzrolle als Iphigenie in Goethes „Iphigenie auf Tauris“) spielte. Nach nur z. Tl. erfolgreichen Gastspielen am Wr. Hofburgtheater (1832, 1833) kehrte sie 1836 an dieses zurück, ohne jedoch an ihre früheren Erfolge anknüpfen zu können. 1839 i. R., zog S. nach Augsburg, dann nach München, wo sie noch in Gastrollen auftrat. Sie beendete ihre Bühnenlaufbahn mit einigen Deklamationsabenden in Hamburg (1845), Wien (1854) und München (1859). Von ihren Töchtern aus der Ehe mit Friedrich Schröder ergriffen neben Wilhelmine Schröder-Devrient auch Elisabeth und Auguste S. den Bühnenberuf. Elisabeth (Betty) S. (geb. Hamburg, Freie Reichsstadt/Deutschland, 27. 11. 1806; gest. Coburg, Sachsen-Coburg-Gotha/Deutschland, 6. 10. 1887), die zuerst Mitgl. des Kinderballetts von Horschelt (s. d.) in Wien war, debüt. 1819 als Melitta in Grillparzers „Sappho“ am Wr. Burgtheater und spielte hier bis 1821. Nach einem Engagement am Theater a. d. Wien und einer Gastspielreise mit der Mutter und der Schwester Wilhelmine über Prag nach Dresden (1822) wurde sie 1823 Mitgl. des Stadttheaters Hamburg, zog sich aber nach ihrer Verehelichung (1831) mit dem Sohn des dortigen Schauspieldir. Friedrich Ludwig Schmidt, Dr. med. Philipp Schmidt, von der Bühne zurück. Auguste S. (geb. Hamburg, 16. 10. 1810; gest. Coburg, 26. 9. 1874) war, zunächst ebenfalls Mitgl. des Horscheltschen Kinderballetts, 1826–28 Mitgl. des Wr. Burgtheaters, heiratete in Pest (Budapest) den Schauspieler Eduard Gerlach und kam nach vielen Stationen 1844 ans Hoftheater Coburg, an dem sie, in zweiter Ehe (1855) mit dem Schriftsteller und Schauspieler Arnold Schloenbach verehel., mit Unterbrechungen bis zu ihrem Tod spielte. In ihren Rollen ging sie bald vom Fach der jugendl. Liebhaberinnen in das der Anstandsdamen, dann in das der kom. Alten über. S.s Sohn aus erster Ehe, Wilhelm Smets (geb. Reval, Rußland/Tallinn, Estland, 15. 9. 1796; gest. Aachen, Preußen/Deutschland, 14. 10. 1848), stud. ab 1819 kath. Theol. in Münster, prom. 1821 in Jena zum Dr. phil. und war schließl. (1822 Priesterweihe) ab 1844 Domherr in Aachen. Ein berühmter Prediger, erlangte er bes. aufgrund seiner religiösen Lyrik, aber auch seiner vielen erbaulichen Prosatexte Bedeutung.

L.: ADB; Alth, Burgtheater, Reg.Bd., S. 30, 304; Eisenberg, Bühnenlex. (auch für Elisabeth und Auguste S.); Enc. dello spettacolo; Graeffer–Czikann; Kosch, Theaterlex. (auch für Elisabeth und Auguste S.); Wurzbach; Dt. Bühnen-Almanach 33, 1869, S. 133ff.; P. Schmidt, S. S. wie sie lebt im Gedächtniß ihrer Zeitgenossen und Kinder, 1869; O. Teuber, Geschichte des Prager Theaters 2, 1885, S. 403ff.; K. L. Costenoble. Aus dem Burgtheater. 1818–37. Tagebuchbll. … 1–2, 1889, s. Reg.; H. Laube, Das Burgtheater, 2. Aufl. 1891, s. Reg.; Neuer Theater-Almanach 3, 1892, S. 34ff.; J. Schreyvogels Tagebücher 1810–23, hrsg. von K. Glossy, 2 (= Schriften der Ges. für Theatergeschichte 3), 1903, s. Reg.; Briefe von S. S. (1813–68), hrsg. von H. Stümcke (= ebenda, 16), 1910; S. S.s Briefe an ihren Sohn A. Schröder (= ebenda, 26), 1916; F. Rosenthal, Schauspieler aus dt. Vergangenheit (= Amalthea-Bücherei 8), 1919, S. 25ff. (mit Bild); W. Drews, Die Großen des dt. Schauspiels, 1941, S. 78ff.; H. Kindermann, Theatergeschichte der Goethezeit, (1948), s. Reg.; H. Weinberger, Die Frau als Schauspielerin im 19. Jh. 2, phil. Diss. Wien, 1949, S. 185ff.; E. P. Danszky, Flitterwochen der Madame S., 1951 (belletrist.); E. Quadflieg, S. S. und Goethe, 1954; N. Fuerst, Grillparzer auf der Bühne, 1958, passim; I.-U. Keller, S. S. Repräsentantin des Hamburg-Weimarer Stils in der dt. Schauspielkunst …, phil. Diss. Berlin, 1961; H. Kindermann, Theatergeschichte Europas 5–6, (1962–64), s. Reg. (mit Bildern); F. Grillparzer, Sämtl. Werke, hrsg. von P. Frank und K. Pörnbacher 4, 1965, s. Reg.; G. Sebestyén, Burgtheater-Galerie, (1976), S. 48 (Bild), 50 (Bild), 156; Literatur Lex., hrsg. von W. Killy, 11, (1991) (für Wilhelm Smets); Lex. Theater International, hrsg. von J. Ch. Trilse-Finkelstein und K. Hammer, 1995.
(E. Fleissner-Moebius)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 53, 1998), S. 232ff.
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