Schrötter von Kristelli, Leopold (Anton Dismas) (1837-1908), Laryngologe

Schrötter von Kristelli Leopold (Anton Dismas), Laryngologe. Geb. Graz (Stmk.), 5. 2. 1837; gest. Wien, 22. 4. 1908. Sohn des Anton S. v. K., Vater des Hermann, Stiefbruder des Alfred S. v. K. (alle s. d.). Stud. nach Besuch der Gymn. in Graz, bei den Schotten, den Piaristen sowie des Akadem. Gymn. in Wien ab 1855 Med. an der Univ. Wien und wurde 1861 zum Dr. med. und Dr. chir. prom. sowie Mag. obstet. Anschließend bis 1863 Aspirant, 1863–69 Ass. am Allg. Krankenhaus, habil. er sich 1867 für Interne Med. sowie Laryngoskopie und wurde 1870 zum Vorstand der neuerrichteten Laryngolog. Klinik, vorerst aber nicht zum Prof. bestellt. Da er auch nach seiner 1875 erfolgten Ernennung zum ao. Prof. für Kehlkopf- und Brustkrankheiten keine Besoldung bezog, übernahm er daneben 1877 prov., 1878 def. ein Primariat an der Krankenanstalt Rudolfstiftung, 1881 am Allg. Krankenhaus. 1885 habil. er sich für das Gesamtgebiet der Inneren Med. und erhielt schließl. 1890 mit der Berufung als o. Prof. und Vorstand der neuerrichteten III. Internen Univ.Klinik auch eine materielle Basis seiner akadem. Laufbahn. S. galt als mitreißender Lehrer, entwickelte schon zu Beginn der 70er Jahre ein neues Verfahren zur Behebung von Larynxverengungen, konstruierte auch Instrumente, u. a. zur Entfernung von Fremdkörpern aus der Lunge, 1906 eine Beleuchtungslampe für Speiseröhren- sowie Bronchienspiegelung, nahm als erster eine Kehlkopfoperation unter Kokainanästhesie vor und schuf völlig neue Möglichkeiten für chirurg. Eingriffe sowie Untersuchungen. Auch führte er an seiner Klinik umgehend nach deren Bekanntwerden Röntgenstrahlen für die Diagnostik ein. Neben mehr als 100 Arbeiten legte er die Summe seiner Erkenntnisse über Laryngol. und Hygiene der Lunge in grundlegenden Monographien vor, die internationale Anerkennung fanden. Als weltweit anerkannter Fachmann gehörte er 1887 auch zu den Ärzten des krebskranken späteren dt. K. Friedrich III. Intensiv befaßte er sich zudem mit dem Problem der Tuberkulose. Im Gegensatz zu Robert Koch sah er Heilungschancen in hygien.-klimat.-diätet. Behandlung und propagierte daher die Einrichtung von Heilstätten für Unbemittelte. Da der Regierung die nötigen Gelder fehlten, gründete er einen Ver. und konnte 1898 in Alland (NÖ) die erste Tuberkuloseheilstätte Österr. eröffnen. Weiters empfahl er die österr. Adriaorte und -inseln als Luftkurorte – bes. Lussingrande (Veli Lošinj) und Abbazia (Opatija) –, deren Ausbau er in die Wege leitete, trat auch für die Verbesserung der sanitären Verhältnisse in Wien ein und beriet in diesen Fragen Bgm. Lueger (s. d.). In seiner Freizeit betätigte er sich auch im sportl. Bereich, u. a. als erster Leiter des 1888 gegründeten Zweigver. Traunsee des Union Yacht-Club, zeigte sich daneben mus. interessiert und gehörte zu den sog. Gründungs-, ab 1893 zu den Dion.Mitgl. der Ges. der Musikfreunde in Wien. Ab 1891 behandelte er den Komponisten A. Bruckner (s. d.) und erhielt von diesem dessen Harmonium zum Geschenk. Für seine Verdienste im In- und Ausland ausgez., wurde er Mitgl. bzw. Ehrenmitgl. zahlreicher gel. Ges., u. a. 1888 der Leopoldin.-Karolin. Akad. der Naturforscher in Halle, 1896 HR und Ehrenbürger von Lussingrande. Weltweit erster Doz. der Laryngol. und Leiter der ersten Klinik dieses Faches sowie Pionier der Endoskopie der Luftwege, entwickelte er sich zum großen Systematiker, aber auch zum Sozialmediziner, der als Ziel eine großzügige Prophylaxe sah.

W. (s. u. bei Frohne): Laryngoskopie und Rhinoskopie, in: Exner, Gewerbe und Erfindungen 2, 1873; Beitr. zur Behandlung der Larynx-Stenosen, 1876; Beitr. zur Cocainanästhesie, in: Allg. Wr. Med. Ztg. 26, 1881; Ueber die Lungentuberculose … . Ueber das Koch’sche Heilverfahren …, 1891; Vorlesungen über die Krankheiten des Kehlkopfes, der Luftröhre, der Nase und des Rachens 1–2 (Kehlkopf, Luftröhre), 1892–96, 1, 2. Aufl. 1893; Hygiene der Lunge …, 1903, 2. Aufl., hrsg. von E. Grafe, 1913, französ. 1906, engl. 1907; Über Hotelbau vom hygien. Standpunkte, 1906; usw. Hrsg.: Jahresber. der Klinik für Laryngoskopie an der Wr. Univ. … (1870, 1871–73), 1871, 1875. – Nachlaß, Univ. Wien, Inst. für Geschichte der Med., Techn. Mus. für Ind. und Gewerbe, beide Wien.
L.: C. Reitter, in: Biograph. Jb. 13, 1910, S. 26ff., Sp. 86 (Totenliste); Eisenberg, 1893, Bd. 2; Hirsch; Lesky, s. Reg., bes. S. 330ff., 413ff. (mit Bild); Pagel (mit Bild); Renner, Nachlässe; F. Helme, Le jubilé de M. le Prof. S. (de Vienne), in: Archives internationales de laryngol., 1897; Allg. Wr. med. Ztg. 53, 1908, S. 192; V. Ebner Ritter v. Rofenstein, in: Inauguration Wien … 1908/09, 1908, S. 13f.; O. Chiari, ebenda, 1908, S. 33ff.; ders., in: Wr. klin. Ws. 21, 1908, S. 641f.; Wr. Med. Ws. 58, 1908, Sp. 961f., 87, 1937, S. 141ff. (mehrere Abhh.); W. Roth, in: Med. Klinik 4, 1908, S. 715ff. (mit Bild); S. Klein, in: Med. Bll. 31, 1908, S. 205f.; Z. des Österr. Ing.- und Architekten-Ver. 89, 1937, S. 297f. (mit Bild); Die Stmk. Land – Leute – Leistung, red. von B. Sutter, 1971, S. 734 (mit Bild); S. Frohne, Personalbibliographien der Prof. und Doz. der Inneren Med. der … Univ. Wien … 1850–75, (1972), S. 118ff.; Bedeutende Grazer im Porträt, hrsg. von W. Steinböck, (1977), S. 49; E. H. Majer – M. Skopec, Zur Geschichte der Oto-Rhino-Laryngol. in Österr., (1985), S. 59ff., 105 (mit Bildern); J. Csizmadia, L. A. D. S. Ritter v. K. …, phil. DA Wien, 1986 (mit Bildern); A. Pozdena-Tomberger, Die Kurorte und Seebäder an der österr. Riviera, phil. DA Wien, 1992, S. 67f., 96, 98; A. Kreuter, Deutschsprachige Neurologen und Psychiater 3, 1996; A. Bruckner. Ein Hdb., hrsg. von U. Harten, (1996); F. Czeike, Hist. Lex. Wien 5, (1997); R. S. Budig u. a., Ehrengräber am Wr. Zentralfriedhof, o. J., S. 32; AVA, UA, WStLA, WStLBibl. (Selbstbiographie, Manuskript), alle Wien.
(E. H. Majer)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 53, 1998), S. 248f.
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