Schroll, Josef von (1821-1891), Industrieller

Schroll Josef von, Industrieller. Geb. Hauptmannsdorf, Böhmen (Hejtmánkovice, Tschechien), 3. 6. 1821; gest. Liebeschitz, Böhmen (Liběšice, Tschechien), 4. 10. 1891. Sohn von Benedict S. (s. d.), Bruder des Industriellen August S. (geb. Hauptmannsdorf, 7. 10. 1814; gest. 8. 7. 1887). S. wurde nach einer Gymnasialkl. in Braunau (Broumov) im väterl. Geschäft in Hauptmannsdorf zum Kaufmann ausgebildet, erwarb Erfahrung im Handel mit Leinen und vertrat die Fa. wiederholt in der Wr. Verschleißniederlage. Nach Übertragung des Unternehmens auf S. und seinen Bruder August (1853) übernahm Josef Einkauf und Vertrieb, Aufgaben, die ihn auf Geschäftsreisen mit Neuerungen konfrontierten, deren Einführung jedoch sein weniger risikofreudiger Bruder, dem bei der Kompetenzenaufteilung die Leitung von Büro und Fabrik zugefallen war, ablehnte. Dennoch wurde 1856 eine mechan. Weberei in Ölberg (Broumov), die erste in dieser Gegend, errichtet; der Leinenhandel wurde 1860 eingestellt, die Handweberei 1877. Die Baumwollkrise, die der Sezessionskrieg in den USA ausgelöst hatte, führte zum Bruch zwischen den Brüdern, als dessen Folge August 1865 aus dem Unternehmen schied und 1868 in Braunau die Lohnweberei „August S. & Co.“ gründete, während das väterl. Unternehmen unter der Bezeichnung „Benedict S.’s Sohn“ von Josef allein, aber nunmehr offensiv weitergeführt wurde: Noch 1865 wurden neue Maschinen eingestellt, 1869/70 wurde eine zweite und 1876/77 eine dritte Weberei in Braunau errichtet. Während dieser Zeit entstanden Erweiterungsbauten, u. a. eine Dampfbleiche, ein Fabrikskrankenhaus und ein Speisehaus sowie Wohnungen (z. Tl. mit Hausgemüsegärten), durch die die Arbeiter und Angestellten enger an das Unternehmen gebunden wurden. Die Fabriken waren mit dem Eisenbahnnetz verbunden und bereits 1880 mit einer elektr. Beleuchtungsanlage sowie mit einer internen Telefonanlage ausgestattet. Zur Deckung des eigenen Garnbedarfs ließ S. 1882–84 in Halbstadt (Meziměstí) eine große Baumwollspinnerei erbauen. S.s Webwaren wurden wiederholt auf internationalen Ausst., u. a. der Wr. Weltausst. 1873, prämiert, und seine Chiffone verdrängten die engl. vom österr. Markt. Bei seinem Ableben waren in Braunau und Halbstadt rund 2.000 Arbeiter beschäftigt und etwa 1.500 Webstühle sowie 60.000 Spindeln eingesetzt. S., ein patriarchal. Arbeitgeber, spendete etwa wegen Nichtteilnahme seiner Arbeiter an den ersten Maifeiern (1890) 6.000 fl für die Pensionskasse, wie es überhaupt Hinweise auf ein Arbeitsklima mit konsequenter Disziplinierung zu geben scheint. Er übte anderseits aber eine umfassende private Wohltätigkeit aus und ließ sich bes. auch das Schul- und Fachschulwesen angelegen sein. Er war u. a. Ehrenbürger von Braunau, wo er das Armenhaus hatte erbauen lassen. S., der mit dem Ausbau seiner Unternehmen in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zu einem der bedeutendsten Textilindustriellen Böhmens geworden war, wurde 1873 nob. (1871 hatte er Schloß Liebeschitz gekauft). Als Firmeninhaberinnen folgten ihm seine Töchter aus erster und zweiter Ehe, Johanna, verehel. Langer, und Eleonora, verehel. Kriesche.

L. (tw. auch für August S.): N. Fr. Pr., Prager Tagbl. (beide Abendausg.), Bohemia, 5. 10. 1891; Leitmeritzer Ztg., 7. und 10. 10. 1891; Dt. Ztg. Bohemia, 27. 11. 1935; Großind. Österr. II, S. 33ff. (mit Bild); Mitth. des Nordböhm. Excursions-Clubs 15, 1892, S. 110; E. Langer, Fa. Benedict S.s Sohn (= Beitrr. zur Geschichte der Dt. Ind. in Böhmen 4), 1895 (mit Bild); F. Hantschel, Biographien Dt. Industrieller aus Böhmen, 1920 (s. u. Schroll Benedikt); R. Hemmerle, Sudetenland-Lex., 4. Aufl. 1992; AVA, Wien.
(J. Mentschl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 53, 1998), S. 254
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