Schwarzenberg, Friedrich Fürst zu (Primogenitur) (1809-1885), Fürsterzbischof und Kardinal

—enberg Friedrich Fürst zu Schwarzenberg (Primogenitur), Fürsterzbischof und Kardinal. Geb. Wien, 6. 4. 1809; gest. Wien, 27. 3. 1885. Dritter Sohn von Josef II., Bruder von Johann Adolf II. und Felix S. (alle s. d.). Von renommierten Lehrern (u. a. Lorenz Greif, Hohler und Runk, beide s. d.) auf den südböhm. Familiengütern erzogen, absolv. S. 1824–26 die phil. Stud. an der Univ. Wien. Daneben stud. er auch privat bei dem Religionsphilosophen A. Günther (s. d.). Das anschließend begonnene Rechtsstud. brach er 1827 ab und wechselte trotz familiärer Vorbehalte nach Salzburg, um Theol. zu stud. (u. a. bei Fürsterzbischof A. J. Gruber und dem späteren Kardinal Rauscher, beide s. d.). 1829 zum Domizellar ernannt, empfing S. 1830 die niederen Weihen, ehe er in Wien seine theol. Stud. 1831 abschloß. 1832 kehrte S. nach Salzburg zurück; 1833 Priesterweihein Salzburg, danach Kooperator am Sbg. Dom. 1835 postulierte ihn das Sbg. Domkapitel als Nachfolger Grubers zum neuen Erzbischof. Er wurde Anfang 1836 zum Dr. theol. prom. und nach Erteilung der erforderl. päpstl. Altersdispens konsekriert und inthronisiert. Die einem Visitationsber. S.s folgende, aufgrund einer k. Anordnung erfolgte Ausweisung der Zillertaler Protestanten 1837 nannte er „schmerzhaft, aber notwendig“. Mit Sbg. bereits eng verbunden, lehnte S. 1838 das Angebot, Erzbischof von Prag zu werden, ab. 1841 reiste S. nach Rom, womit die verstärkte Romorientierung der österr. Kirche begann. Im Jänner 1842 ernannte Gregor XVI. S. zum Kardinal. Ruhige Jahre bischöfl. Wirkens in Sbg. folgten; an der Wahl von Pius IX. 1846 nahm S. nicht teil. Die Märzrevolution 1848 erlebte S. in Wien. Dem konservativen Lager nahestehend, ging er auf Distanz zu den polit. Entwicklungen und betonte die Eigenständigkeit der Kirche gegenüber dem Staat. In der Öffentlichkeit bekundete S. zuweilen Verständnis für den Konstitutionalismus; er sprach sich für die Aufhebung traditioneller Vorrechte von Adel und Klerus aus und gründete (mit J. A. Schöpf, s. d., als Red.) die „Salzburger Constitutionelle Zeitung“. Im November 1848 nahm S. – als Sbg. Erzbischof zugleich Primas Germaniae – als einziger österr. Bischof an der Würzburger Konferenz des dt. Episkopates teil. S. stand in engem Kontakt mit der neuen, unter seinem Bruder Felix gebildeten Regierung, deren Verfassungsberatungen er im Hinblick auf staatskirchenrechtl. Fragen begleitete. Die oktroyierte Märzverfassung von 1849 fand S.s Unterstützung. Im April 1849 übernahm er die Leitung einer Konferenz der österr. Bischöfe in Wien, die sich mit den Beziehungen zwischen der Kirche und dem neuorientierten Staat befaßte. Das ihm im Oktober 1849 (nach dem Tod von Fürsterzbischof Schrenck v. Notzing, s. d.) erneut angetragene Prager Erzbistum lehnte S. zunächst ab. Da der Papst jedoch auf dem Wechsel bestand, die Wr. Regierung zudem 1850 kirchenpolit. Konzessionen im Sinne einer prinzipiellen Aufgabe des josephin. Systems der Unterordnung der Kirche unterdie Staatsgewalt signalisierte, fügte sich S. Im August desselben Jahres erfolgte seine Translation nach Prag. In seiner Antrittsrede betonte S. den nationalitätenübergreifenden Charakter des Christentums. Durch sein Bemühen, die tschech. Sprache gründl. zu erlernen, gelang es ihm, manche Vorbehalte der Tschechen gegenüber seiner Person zu entkräften. S. – hochgewachsen und bis ins Alter agil – vermochte auch durch sein von Zeitgenossen mitunter als „fürstlich“ charakterisiertes Auftreten zu gewinnen. Ausgeprägtes Standesbewußtsein verband sich bei ihm mit einer sparsamen persönl. Lebensführung, zu der freilich eine Neigung zu prunkhaften Selbstinszenierungen im Rahmen feierl. Kirchenakte kam. An den 1851 aufgenommenen Verhh. zwischen Kirche und Wr. Regierung über ein Konkordat wirkte S. von Anfang an führend mit. Während der 1852 einsetzenden innerkirchl. Auseinandersetzungen um Günthers Werk stand S. zu seinem Lehrer, konnte aber eine Verurteilung (1857) nicht verhindern. Dieser weit über Österr. hinausreichende Theologen- und Gelehrtenstreit überschattete S.s zweite Reise nach Rom (1854/55), wo er an den Beratungen des Papstes mit Kardinälen und Bischöfen über die Verkündigung des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis teilnahm. In Übereinstimmung mit den meisten dt. Bischöfen nahm S. eine – mit Opportunitätserwägungen begründete – ablehnende Haltung ein, konnte sich jedoch nicht gegen die Mehrheit durchsetzen. S. nahm an der feierl. Abschlußsitzung teil. Die Durchführung des 1855 unterzeichneten, den Interessen der Kirche weit entgegenkommenden Konkordats war Thema der wesentl. von S. mitbestimmten Konferenz der österr. Bischöfe 1856. Die innenpolit. Konsequenzen der österr. Niederlage in Italien, die Konstitutionalisierung von 1860–61, zwangen auch die Mitgl. des österr. Klerus, sich für eine der beiden konkurrierenden Richtungen zu entscheiden. S. stellte sich dabei hinter die vom Oktoberdiplom (1860) vorgegebene, gemäßigt konservative, föderalist. Richtung. Als Mitgl. des neukonstituierten böhm. Landtags unterstützte er den Antrag, daß K. Franz Joseph sich in Prag zum König von Böhmen krönen lassen sollte, und begleitete eine entsprechende Deputation nach Wien. S. wurde ferner Mitgl. im Herrenhaus des 1861 ebenfalls neukonstituierten Reichstags. Im selben Jahr war er an der Gründung zweier kirchl. Organisationen in Böhmen maßgebl. beteiligt (Cyrilometodějská Jednota, Dědictví sv. Prokopa). Während des Krieges von 1866 blieb S. in Prag. Der Ausgleich 1867 führte zu polit. Auseinandersetzungen um das Konkordat, wobei S. im Herrenhaus strikt für dessen Bewahrung eintrat. Als die Abänderungsanträge des Abg.Hauses – insbes. die Zivilehe, die Zurückdrängung des kirchl. Einflusses auf die Schule und die Neubestimmung des interkonfessionellen Verhältnisses der Staatsbürger betreffend – im Mai 1868 verabschiedet wurden, reagierte S. mit dagegen gerichteten Instruktionen an den Klerus sowie mit einem Hirtenbrief, was ihm eine strafrechtl. Verurteilung wegen Störung der öff. Ruhe einbrachte. 1869 reiste S. zum Vatikan. Konzil. Hier gehörte er alsbald zu den Hauptvertretern der aus dem österr.-ung., dt. und schweizer. Episkopat gebildeten Gruppe, die das Infallibilitätsdogma verhindern wollte. S. begründete seine Ablehnung mit polit. wie theol. Bedenken, vermochte sich aber nicht durchzusetzen. Nach Prag zurückgekehrt, beeilte sich S. nicht, die neuen Lehrsätze zu publizieren, zumal die Ökumenizität des Konzils nicht unumstritten war. Erst auf ausdrückl. Aufforderung des Papstes hin ließ S. die Dekrete im Jänner 1871 veröff. Unterdessen hatte die Wr. Regierung das Konkordat von 1855 gekündigt. S. schaltete sich in die polit. Diskussion um die Neufundierung des Staatskirchenrechts der Monarchie im konservativen Sinne ein, blieb aber, wie die liberalen Maigesetze von 1874 zeigen, erfolglos. Als Dekan der Kardinalpriester war er 1878 entscheidend an der Wahl und Krönung Leos XIII. beteiligt. Der Nationalitätenstreit an der – 1882 geteilten – Prager Karl-Ferdinands-Univ., an der S. das hist. Kanzleramt zustand, überschattete seine letzten Lebensjahre. S. bemühte sich bis zu seinem Tod, im Interesse einer einheitl. Priesterausbildung die Aufspaltung zumindest der Theol. Fak. zu verhindern. Anfang der 1850er Jahre die führende Persönlichkeit im österr. Episkopat, stand S. danach zunehmend im Schatten des zentralist. eingestellten Wr. Fürsterzbischofs Rauscher. Geprägt von der romant. Aufbruchsstimmung im Katholizismus der 1820er und 30er Jahre, propagierte S. zunächst eine verstärkte Romorientierung der österr. Kirche. Als Anhänger der Lehren Günthers geriet er jedoch in zunehmenden Gegensatz zur kurialen Lehrauffassung. Auf kirchenpolit. Gebiet nahm S. in der liberalen Ära eine auf Ausgleich bedachte Haltung ein.Als Prager Oberhirte war er föderalist. eingestellt. Bemüht um nationale Ausgewogenheit, förderte er die Integration der tschech. Nationalbewegung in die Kirche.

L.: Bohemia, 28.-31. 3., 1., 2. 4. 1885, 25. 12. 1895; Prager Tagbl. und Politik, 28.-31. 3., 1., 2. 4. 1885; N. Fr. Pr. und Wr. Ztg., 28. 3. 1885; Blahověst 35, 1885, S. 157ff., 163ff.; ADB; Gatz, Bischöfe; Wurzbach; R. Nostiz-Rieneck, R. Kardinál S., 1887; Th. Granderath, Geschichte des Vatikan. Konzils 1–3, 1903–06, s. Reg.; C. Wolfsgruber, F. Kardinal S. 1–3, 1906–17; Fürst K. zu Schwarzenberg, Geschichte des reichsständ. Hauses S. (= Bibl. familiengeschichtl. Arbeiten 30), 1963, s. Reg. (mit Bild); E. Winter – M. Winter, Domprediger J. E. Veith und Kardinal F. S. (= Sbb. Wien, phil. – hist. Kl.282/2), 1972 (mit Bild); K. A. Huber, in: Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen – Mähren – Schlesien 4, 1976, S. 145ff.; Die Habsburgermonarchie 1848–1918, 4, 1985, s. Reg.; K. Schatz, Vatikanum I, 1–3 (= Konziliengeschichte, hrsg. von W. Brandmüller, R. A, 14–15, 17), 1992–94, s. Reg.; E. Čánová, Slovník představitelů katolické církevní správy v Čechách 1848–1918, 1995; S. Falk-Veits, in: Lebensbilder Sbg. Erzbischöfe ... (= Salzburg Archiv 24), 1998, S. 203ff. (mit Bild); Biograph. Lex. zur Geschichte der böhm. Länder 3, hrsg. von F. Seibt u. a., 1999; Mitt. Robert Hoffmann, Salzburg, Sbg.
(S. Lippert)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 55, 2001), S. 19f.
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