Strasser, Peter (1917–1962), Politiker und Funktionär

Strasser Peter, Politiker und Funktionär. Geb. Jena, Deutsches Reich (D), 3. 7. 1917; gest. Wien, 6. 6. 1962 (ehrenhalber gewidmetes Grab: Friedhof der Feuerhalle Simmering). Sohn von →Josef Strasser und Isa (Klothhilde Isadora) Strasser, geb. von Schwartzkoppen. – Da seine Eltern einen Teil der 1920er-Jahre in Moskau verbrachten, wuchs S. teilweise bei den Großeltern in Deutschland auf und besuchte dann die Mittelschule in Wien, wo er sich 1934−38 durch externe Studien weiterbildete und daneben u. a. in einem Übersetzungsbüro und einem Zeitungsvertrieb arbeitete. Er betätigte sich früh im Rahmen der Sozialdemokratie: Ab 1929 Mitglied bei den Roten Falken, der Sozialdemokratischen Arbeiterjugend und den Sozialistischen Mittelschülern sowie 1934−38 bei den Revolutionären Sozialisten, war er letzter Obmann der Revolutionären Sozialistischen Jugend vor dem „Anschluss“. 1938 flüchtete S. nach Frankreich, wo er verschiedene Berufe, zuletzt in Grenoble jenen des Schilehrers, ausübte. Nach Kriegsausbruch wurde er für zehn Monate interniert, konnte 1940 aus dem Lager fliehen und hielt sich dann 14 Monate illegal in Frankreich auf. 1942 wurde er mit seiner Familie nach Wien überstellt, wo er bis 1945 als Schweißer und Schweißtechniker in einem Rüstungsbetrieb tätig war. 1945 wurde S. von der wieder- bzw. neu gegründeten SPÖ mit dem Aufbau von deren Jugendorganisation betraut. In der Folge war er bis 1954 Obmann der Sozialistischen Jugend Österreichs, 1948−54 zudem Vorsitzender der Internationalen Union der Sozialistischen Jugend. Ab 1949 saß S. bis zu seinem Ableben als damals jüngster Abgeordneter im Nationalrat. Nach dem Beitritt Österreichs zum Europarat war er 1956−62 auch Mitglied der österreichischen Delegation zur Beratenden Versammlung des Europarats und 1959−62 Obmann der SPÖ-Bezirksorganisation Alsergrund sowie Bundesobmann des Arbeiter-Abstinentenbunds. S.s politisches Interesse galt v. a. der Außenpolitik, insbesondere dem Nord-Süd-Problem bzw. der Entwicklungshilfe, sowie der Rechtsreform auf den Gebieten Presserecht, Strafrecht und Strafvollzug. 1956 in der Ungarn-Hilfe aktiv, war er auch am Aufbau des Wiener Instituts für Entwicklungshilfe beteiligt. Zu seinen engsten politischen Weggefährten gehörten Bruno Kreisky und Christian Broda.

W.: Ein Atemzug Freiheit. Volksaufstand und Konterrevolution in Ungarn, 1957; Gefährliche Kraft. Fakten und Folgen der Motorisierung, 1960; Sozialistische Initiative. Reden und Aufsätze, 1963. – Teilnachlass: Verein für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, Kreisky-Archiv, beide Wien.
L.: Hdb. der Emigration 1; Ch. Broda, in: Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus, ed. N. Leser, 1964, S. 403ff.; N. Leser, Grenzgänger. Österreichische Geistesgeschichte in Totenbeschwörungen 2, 1982, S. 225ff., 266f. (mit Bild); F. Keller, Ein neuer Frühling. Sozialistische Jugendorganisationen 1945 bis 1965, 1985, s. Reg.; Wien Geschichte Wiki (Zugriff 10. 6. 2021); Österreichische Nationalbibliothek (Handschriftensammlung), Wien.
(M. Wirth)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)