Bruckner Anton, Komponist. * Ansfelden (O.Ö.), 4. 9. 1824; † Wien, 11. 10. 1896. Sohn eines Lehrers; zeigte bereits als Kind große musikalische Begabung und erhielt 1835/36 bei seinem Vetter Joh. Bapt. Weiss in Hörsching bei Linz den ersten Unterricht in Orgelspiel und Generalbaß. Nach dem frühen Tod des Vaters kam er 1837–40 als Sängerknabe in das Stift St. Florian. 1841–45 war er Schulgehilfe in Windhaag und Kronstorf, 1845–55 Lehrer und seit 1848 Stiftsorganist in St. Florian, wo er neben allen Obliegenheiten seines vielseitigen Amtes unermüdlich an seiner musikalischen Weiterbildung arbeitete. 1855–68 wirkte er als Domorganist in Linz, wo er an Bischof Rudigier einen warmherzigen und verständnisvollen Förderer hatte. 1855–61 stud. er nebenher bei Simon Sechter Harmonielehre und Kontrapunkt und 1861–63 bei Otto Kitzler Formenlehre und Instrumentation. Mit 40 Jahren trat im Leben dieses schüchternen linkischen Dorfschullehrers, dem es an weltmännischer Gewandtheit und jeder Konversationsbildung fehlte, eine Wende ein. Wohl hatte er bereits zahlreiche kirchliche und weltliche Kompositionen geschaffen, aber sie waren ohne besondere Bedeutung. Der Anstoß zum Durchbruch der schöpferischen Kräfte war das Erlebnis der Musik Richard Wagners. 1865 lernte er in München den Heißverehrten kennen, dessen Werke er, obwohl kein „Wagnerianer“ im üblichen Sinn, wie kein anderer verstand. Mit der Wagner 1873 gewidmeten III. Symphonie dmoll begann gegen B. die Polemik gewisser musikalischer Kreise Wiens, an deren Spitze E. Hanslick stand. 1868 wurde er durch Vermittlung Herbecks Hofkapellorganist und als Nachfolger Sechters Prof. für Harmonielehre, Kontrapunkt und Orgelspiel am Konservatorium in Wien. Als Organist und Improvisator war er bereits eine gefeierte Berühmtheit von europäischem Ruf, als ihm 1875, nach jahrelangen Bemühungen, die Errichtung eines Lektorates für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Univ. Wien gelang. Die akad. Lehrtätigkeit und der Kontakt mit den jungen Menschen war oft die einzige Freude des Einsamen, der zeitweise sehr unter melancholischen Anwandlungen litt. Trotz einer aufopferungsvoll für ihn werbenden Freundesschar, zu der G. Mahler, F. Löwe, die Brüder Schalk, H. Wolf, H. Levi, F. Mottl, A. Göllerich, M. v. Oberleithner, F. Eckstein, S. Ochs u.a. gehörten, und erfolgreicher Aufführungen seiner Werke im Ausland, gelang es nicht, den Widerstand herrschender Kreise des Wr. Musiklebens zu brechen, denen Bruckner ein gefährlicher Revolutionär im Wagnerschen Sinn auf dem Gebiet der Symphonie schien. B., dessen Weltruhm mit der Aufführung der VII. Symphonie in Leipzig (1884) und München (1885) begann, war in Wien zum Schweigen verurteilt und gezwungen, neben den Vorlesungen an der Univ., der Arbeit am Konservatorium und an der Hofkapelle anfänglich noch Privatstunden zu geben, um seine finanzielle Lage zu verbessern. Erst 1890 eroberte H. Richter mit einer Aufführung der III. Symphonie die Wr. Konzertsäle für den „unverständlichen“ und „unaufführbaren“ B. 1891 Dr. phil. h. c. der Univ. Wien. B.s Schüler und Freunde, die dem Verkannten den Weg bereiteten, hüteten auch nach des Meisters Tod seine Werke, die erst seit ca. 1910 allgemein anerkannt und aufgeführt wurden. B. wurde nach seinem Wunsch unter der geliebten großen Orgel im Stift St. Florian begraben, in dessen beharrenden Lebensformen er herangewachsen war und wo er sein ganzes Leben traditionsstark verwurzelt blieb. Den meisten seiner Zeitgenossen schien er fremd und unbegreiflich, denn er verkündete in einer materialistischen Welt mit seinen machtvollen Schöpfungen den Triumph des Geistes über das Irdische. Sein ganzes Lebenswerk war ein inbrünstiges Bekenntnis des Glaubens, ein Hymnus an Gott.