Wolf Hugo, Komponist. Geb. Windischgraz, Stmk. (Slovenj Gradec, SLO), 13. 3. 1860; gest. Wien, 22. 2. 1903 (Ehrengrab: Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn des Lederhändlers Philipp W. und der Katharina W., geb. Nußbaumer. – Unterricht in Klavier und Geige erhielt W. von seinem Vater sowie ab Herbst 1870 im Stmk. Musikver. (Graz), gleichzeitig besuchte er ein Semester ein Grazer Gymn., danach fünf Semester das Stiftsgymn. St. Paul im Lavanttal und vier Semester das Gymn. von Marburg, das er wegen schlechter Leistungen vorzeitig verließ. Ab September 1875 stud. er am KdM in Wien, wo →Gustav Mahler sein Mitschüler war, zunächst Harmonielehre bei →Robert Fuchs und dann Komposition bei →Franz Krenn. Er lernte Richard Wagner kennen, erste Kompositionen entstanden, doch 1877 wurde er wegen allzu heftiger Kritik am Unterricht suspendiert und lebte nach kurzem Heimataufenthalt von privatem Klavierunterricht sowie von Unterstützungen durch die Eltern und einen Gönner. Im November 1881 wurde er zweiter Kapellmeister am Salzburger Stadttheater, drei Monate später folgte die einvernehml. Kündigung. Nach kurzer Verpflichtung zum Militärdienst reiste er im Sommer 1882 nach Bayreuth und besuchte im April 1883 →Franz v. Liszt, der ihn zu seiner bedeutenden symphon. Dichtung „Penthesilea“ (nach Heinrich v. Kleist) anregte. 1884–87 war W. (dank eines Gönners) Musikkritiker des „Wiener Salonblatts“, als der er etwa (mit oft sarkast. Wortwahl) die Werke von →Johannes Brahms verspottete, Wagner und Liszt hingegen verherrlichte. 1888 veröff. er seine erste Liedersmlg., die ihn schnell bekannt machte, doch hatte er bis zu seinem Lebensende kein geregeltes Einkommen, sondern war von großzügigen Freunden und Mäzenen, bei denen er auch jahrelang wohnte, abhängig. Eine Mitschuld daran trugen sein schwieriges Temperament und seine (seit dem 18. Lebensjahr) krankheitsbedingt problemat. Psyche. In den nächsten Jahren entstanden neben zahlreichen Einzelliedern v. a. fünf große Liederzyklen. W. verarbeitete hier Elemente der „Sprachmelodie“ und der chromatisierenden Harmonik Wagners zu einem Stil, der mit seinen nahezu psycholog. Analysen der Szenerie deutl. Elemente des Expressionismus vorwegnimmt. Die Tonalität wird dabei bisweilen fast gesprengt, das Klangempfinden erinnert nicht selten bereits an impressionist.-flächige Akkordik. Auch W.s Vorliebe für kapriziöse Stimmungen, für einen nur nach außen verträumt wirkenden Realismus und für scharfe Charakterisierungen weisen in die Zukunft. Seine Forderung an die Kunst war „strenge, unerbittliche Wahrheit bis zur Grausamkeit“ und deckte sich so vollkommen mit der Ästhetik der Literatur seiner Zeit. Bes. wichtig für die Verwirklichung dieser „Wahrheit“ wurde W. aber die Deklamation, die auf seinen eigenen Rezitationen der Texte basierte und auch die hohe Sprachgebundenheit der Singstimme in W.s Liedern erklärt (von einigen Liedern stellte er zusätzl. Orchesterfassungen her). Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen vertonte W. meist nicht einzelne Ged. oder Kleingruppen von Texten, sondern vertiefte sich für einen gewissen Zeitraum in Werk und Persönlichkeit eines Dichters, setzte sich mit dessen Schöpfungen in hohem Maße auseinander und wählte dann die ihm passend erscheinenden Texte aus. So schuf er größere Smlgg. von Liedern nach Heinrich Heine (1878), Joseph v. Eichendorff (1886–88), Eduard Mörike (1888), Johann Wolfgang v. Goethe (1888/89) und Gottfried Keller (1890), weiters das (aus 10 geistl. und 34 weltl. Liedern zusammengesetzte) „Spanische Liederbuch“ (1889/90) nach Übertragungen von Emanuel Geibel und Paul Heyse sowie das „Italienische Liederbuch“ (1890–96) nach Übers. Heyses. Weitere Ged. vertonte er u. a. von Nikolaus Lenau (→Nikolaus Niembsch v. Strehlenau), Robert Reinick, Heinrich Hoffmann v. Fallersleben, Michelangelo, Henrik Ibsen und →Christian Friedrich Hebbel. Konzertreisen führten W. als Begleiter seiner Lieder in viele dt. Städte, wo er meist große Erfolge feiern konnte, die aber finanziell unergiebig waren, und auch seine für das Wr. Burgtheater geschriebene Bühnenmusik zu Ibsens „Das Fest auf Solhaug“ (1891) trug ihm wenig ein. Dasselbe gilt für seine Chorwerke (z. Tl. mit Orchesterbegleitung), die „Penthesilea“, die „Italienische Serenade“ und das d-Moll-Streichquartett. 1896 errang W. in Mannheim mit seiner Oper „Der Corregidor“ einen beachtl. Erfolg, der ihn eine weitere Oper, „Manuel Venegas“, konzipieren ließ, doch wurde es im September 1897 notwendig, ihn in die Privatheilanstalt für Gemüthskranke auf dem Erdberge (Wien 3) einzuweisen. Zwar wurde er im Jänner 1898 entlassen, worauf er ein halbes Jahr Erholung suchte (zunächst in Italien, dann u. a. im oö. Traunkirchen), doch nach einem Selbstmordversuch verbrachte er seine letzten Jahre in der Nö. Landesirrenanstalt (Wien-Alsergrund).