Petzold Alfons, Schriftsteller. * Wien, 24. 9. 1882; † Kitzbühel (Tirol), 26. 1. 1923. Sohn eines aus Deutschland stammenden Sattlers, dessen Lebensweg durch sein Engagement für Liebknecht und das rastlose Ringen um eine gesicherte Existenz in verschiedensten Berufssparten geprägt war. Nach bedrückender Schulzeit und demütigenden Erfahrungen in verschiedenen Lehrstellen wurde P. Hilfsarbeiter, um seine kranke, verwitwete Mutter unterstützen zu können. Nach deren Tod verschlimmerte sich die finanzielle Situation noch weiter, auch der Versuch, als Arbeiter in Kattowitz (Katowice) und Lodz (Łódź) Fuß zu fassen, scheiterte. P.s frühe geistig-polit. Interessen führten ihn über eine anfängliche Begeisterung für Lueger (s. d.) und eine kurze dt.-nationale Phase (verbunden mit der Konversion vom Katholizismus zum Protestantismus) zur Sozialdemokratie. Als Schriftsteller fand er erste Anerkennung im bürgerlich-humanitären Ver. Settlement und im sozialdemokrat. Ver. Der jugendliche Arbeiter (Wien-Ottakring). Geistige Anregungen erhielt er durch Vorlesungen im Volksheim, durch die Bibel, die Werke Tolstojs und die Schriften Dehmels, Liliencrons, Bierbaums und Henckells, die ihn den Sozialismus als sittliche Erhebung des Menschen sehen ließen. Nach einem Blutsturz (1908) ermöglichten Freunde aus dem bürgerlichen und aus dem sozialist. Lager einen Kuraufenthalt in Alland (NÖ) und Gries a. Brenner (1909/10). P. hielt Vorträge, schrieb Rezensionen, verfaßte Gedichte, Skizzen, Erz. und den Roman „Erde“. Seiner enthusiast. Begrüßung des Ersten Weltkrieges, die zur Abkühlung seines Verhältnisses zu J. Luitpold Stern führte, folgte bald die Ernüchterung. Seine erste Ehe (1911–14) war von Unsicherheit und Unrast geprägt. Seine zweite Heirat (1915) bedeutete P.s endgültigen Eintritt in bürgerliche Verhältnisse. Er wurde in Kitzbühel Leiter einer Buchhandlung und 1918 sozialdemokrat. Gemeinderat. Er hatte Kontakte zu vielen bedeutenden Künstlern, wie Rilke, Hofmannsthal (s. d.), Gütersloh, Schönherr, Kubin, G. Hauptmann, Hesse, und war mit Ginzkey und F. Braun eng befreundet. P.s Werk fügt sich geistesgeschichtlich in die Tradition des religiös-humanitären Gefühlssozialismus. Während sich seine Gedichte themat. in soziale, religiöse und Naturlyrik gliedern lassen, zeigt sich formal eine Fülle rhythm. und stilist. Möglichkeiten: von Revolutionsliedern Freiligrathscher und Herweghscher Prägung, Balladen und Volksliedtönen nach dem Vorbild Eichendorffs und Heines ausgehend, erobert sich P. das Sonett, die Terzinen- und zuletzt die Hymnenform (Vorbilder sind Rilke, Hofmannsthal und Whitman), ohne aber Früheres ganz abzustreifen. Diskrepanzen in Stil und Gehalt erscheinen dabei als durchaus legitimer Ausdruck der eigenen zwiespältigen Situation zwischen einer Selbststilisierung zum „Nur-Dichter“ und dem ständigen Bestreben, den engen Bindungen zu der sozialen Wirklichkeit seiner Herkunft treu zu bleiben. Stilist. Vielfältigkeit führt auch in der Prosa oft zu Disparatheit, die aber ebenfalls die bes. Situation des Autors, seine literar. Wandlungsfähigkeit wie sein Bemühen, moral.-erzieher. und sozialen Forderungen gerecht zu werden, spiegelt. Daß P. mit dem Etikett „Arbeiterdichter“ versehen wurde, hat zu manchen Verzerrungen geführt. Erst eine exakte Erforschung seines Lebens und Werkes im Kontext seiner Zeit könnte die Kontroverse zwischen bürgerlicher und sozialdemokrat. Seite, die ihn beide für sich reklamieren, überwinden.