Wertheim, Johann (Johannes) (1888–um 1942), Verlagsbuchhändler, Funktionär und Schriftsteller

Wertheim Johann (Johannes), Verlagsbuchhändler, Funktionär und Schriftsteller. Geb. Wien, 14. 5. 1888; gest. KZ Auschwitz, Dt. Reich (PL), 26. 9. 1942; bis 1923 mos. Sohn des Journalisten Abraham W. und seiner Ehefrau Adelheid W., geb. Schwarz (gest. 5. 3. 1911); ab 1914 mit Hilde (Hilda) W., geb. Hofmann (geb. Messern, NÖ, 14. 8. 1891), spätere Red. der „Roten Fahne“ und Funktionärin der Kommunist. Partei Österr. (KPÖ), verheiratet. – W. besuchte das Erzhg.-Rainer-Gymn. in Wien 2 und begann nach der Matura 1907 ein Stud. der Phil., Pädagogik und Anglistik an der Univ. Wien. 1912 prom. er mit einer Arbeit über Koedukation. 1914 gründete W. die Unterrichtsanstalt des Dr. Johannes Wertheim, eine private Mittelschule. Während seiner Stud.zeit war er Mitgl. der zionist.-sozialist. Arbeiterorganisation Poale Zion. Im Zuge des Jännerstreiks 1918 als einer der aktivsten Agitatoren verhaftet und bis Juli in Untersuchungshaft, bildete W. Ende November 1918 gem. mit Leo Rothziegel, →Egon (Erwin) Kisch und anderen die Föderation Revolutionärer Sozialisten „Internationale“ (FRSI), deren Vorstand (Rat) er angehörte. Nach der Fusion der FRSI mit der KPÖ war W. bis Juli 1919 Mitgl. des vierköpfigen Direktoriums, das sich unter dem Einfluss des ung. Emissärs Ernst Bettelheim auf die direkte Machtübernahme orientierte. W. wirkte 1919/20 im Bez.arbeiterrat Favoriten und als Mitgl. des Wr. Kreisarbeiterrats. Auf der 3. Reichskonferenz der Arbeiterräte im Mai/Juni 1920 in Wien war er Delegierter der KPÖ. Von Dezember 1919 bis März 1922 Mitgl. des Parteivorstands der KPÖ, war W. zuständig für Presse und Propaganda bzw. Leiter der Bildungszentrale. 1921 war er kurzzeitig Chefred. des kommunist. Zentralorgans „Die Rote Fahne“. Als Reichssekr. für Politik (Polsekr.) war er von März bis November 1923 wieder in einer führenden Parteifunktion, danach konzentrierte er sich auf das Verlagswesen. W. leitete seit 1921 die Arbeiterbuchhandlung der KPÖ in der Alser Straße und war ab 1924 Inhaber des Verlags für Literatur und Politik, dessen Sitz in der Privatwohnung von W. in der Albertgasse lag. Bis 1933 erschienen dort 132 Werke und drei Z. Hauptaufgabe des Verlags war der Vertrieb der in Berlin erschienenen Bde. der Lenin-Werkausg. und weiterer sozialist. Grundwerke. 1924/25 wurden von W. auch der Agis-Verlag und der Münster-Verlag ins Handelsreg. eingetragen, die v. a. Belletristik und Sachbücher herausbrachten. W. war 1929 Mitbegründer des Bunds der Freunde der Sowjetunion und 1932/33 verantwortl. Red. der von diesem hrsg. Z. „Sowjetfreund“. 1933 war er kurzzeitig Vors. des Bunds proletar.-revolutionärer Schriftsteller. Nach dem Verbot der KPÖ im Mai 1933 wurde gegen W. ein Strafverfahren wegen fortgesetzter kommunist. Propaganda eingeleitet. Im April 1934 wurden ihm die Gewerbeberechtigungen entzogen. W. flüchtete bereits im Februar 1934 über Zürich nach Paris, wo er bis 1939 im Verlagswesen der Kommunist. Internationale tätig war. Von September 1939 bis Juni 1940 in Südfrankreich interniert, arbeitete W. danach als Sprachlehrer in einer Privatschule in Paris. Ab Mai 1941 im Internierungslager Pithiviers festgehalten, wurde er 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und nach seiner Ankunft ermordet.

W.: Die Föderation revolutionärer Sozialisten „Internationale“, in: Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung 12, 1926; Durch Demokratie zum Faschismus 1918–28, 1928; Sozialdemokrat. Arbeiter über die Sowjetunion. Die 3. österr. Arbeiterdelegation im Lande des sozialist. Aufbaus, 1931.
L.: G. Wertheim, in: DÖW Jb. 1996, 1996, S. 204ff.; E. Fischer, Verleger, Buchhändler & Antiquare aus Dtld. und Österr. in der Emigration nach 1933, 2011; Transdisziplinäre Konstellationen in der österr. Literatur, Kunst und Kultur der Zwischenkriegszeit (online, Zugriff 6. 9. 2018); UA, Wien.
(M. Mugrauer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 143f.
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