Fleck (Kolm-Fleck), Louise (Aloisia, Luise); geb. Veltée (1873–1950), Regisseurin

Fleck (Kolm-Fleck) Louise (Aloisia, Luise), geb. Veltée, Regisseurin. Geb. Dornbach, Niederösterreich (Wien), 1. 8. 1873; gest. Wien, 15. 3. 1950 (ehrenhalber gewidmetes Grab: Friedhof Ober-St.-Veit); röm.-kath. Enkelin des aus Lyon stammenden Kunstfeuerwerkers Claudius Veltée (geb. 19. 8. 1802), Tochter des Besitzers des Wiener Stadtpanoptikums am Kohlmarkt Louis (Ludwig) Veltée (geb. Brünn, Mähren / Brno, CZ, 2. 3. 1829; gest. 1897) und seiner Frau Johanna Veltée, geb. Advinent (geb. Laibach, Königreich Illyrien / Ljubljana, SLO, 14. 7. 1831; gest. 1918), Schwester des ebenfalls im Filmgeschäft tätigen Claudius Veltée (geb. 16. 1. 1867; gest. 13. 7. 1918), Mutter des Filmregisseurs und Mitbegründers der Wiener Filmakademie Walter Kolm-Veltée (geb. 27. 12. 1910; gest. 8. 3. 1999); in 1. Ehe (ab 1893) mit →Gustav Anton Kolm, in 2. Ehe (ab 1924) mit dem Schauspieler, Kameramann und Filmregisseur Jakob Fleck (geb. Czernowitz, Bukowina / Černivci, UA, 8. 11. 1881; gest. Wien, 20. 9. 1953) verheiratet. – F. erhielt bereits in jungen Jahren Einblick in die Welt der Kinovorläufer (Stadtpanoptikum) und kam dort mit den ersten Lebenden Bildern in Kontakt. 1896 erfolgte die Eröffnung eines Photoateliers durch Kolm, in dem auch F. tätig war; der Schauspieler Jakob Fleck wurde um die Jahrhundertwende Teil des Teams. Gemeinsam mit Kolm und Fleck gründete F. eine der ersten österreichischen Filmproduktionsgesellschaften (Jänner 1910 Erste Österreichische Kinofilms-Industrie, Dezember 1910 Österreichisch-Ungarische Kinoindustrie GesmbH, November 1911 Wiener Kunstfilm-Industrie Gesellschaft). Nach dem Vorbild des französischen Film d’art drehten F. und ihre Partner künstlerisch hochwertige Filme (Literatur- und Theaterverfilmungen). „Von Stufe zu Stufe“ (1907/08) gilt als einer der ersten österreichischen Kinofilme (heute verschollen). Bis 1922 entstanden über 100 Stummfilme, bei denen F. als Produzentin, Drehbuchautorin und Regisseurin (meist gemeinsam mit Fleck) mitwirkte. Aus dieser Zeit sind nur wenige Filme unter der Regie F.s erhalten (z. B. die Anzengruber-Verfilmung „Der Pfarrer aus Kirchfeld“, 1914, der Kriegspropagandafilm „Mit Herz und Hand fürs Vaterland“, 1916, die Komödie „Der Doppelselbstmord“, 1918, „Die Jüdin“, 1918, oder die Grillparzer-Verfilmung „Die Ahnfrau“, 1919). Gedreht wurde während der Sommermonate im Salzkammergut (Bad Ischl, St. Gilgen), Atelierdrehtage und Schnitt fanden in Wien statt. Finanzielle Schwierigkeiten sorgten für Turbulenzen in der Wiener Kunstfilm. Nach Ankauf eines Grundstücks am Rosenhügel 1919 erfolgte der Baubeginn der Rosenhügelstudios und 1920 die Gründung der Vita-Film, die jedoch in Konkurs ging. 1926 nach Berlin übersiedelt, übernahm F. bis 1933 zahlreiche Regiearbeiten v. a. für Hegewald-Film, wobei sie als Stoffe bewährte Literaturvorlagen, aber auch sozialkritische und feministische Themen wählte („Der Meineidbauer“, 1926; „Liebelei“, 1927; „Frauenarzt Dr. Schäfer“, 1928; „Mädchen am Kreuz“, 1929; „Wenn die Soldaten …“, 1931). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verließen F. und ihr jüdischer Mann Deutschland, 1937 entstand der letzte unabhängig in Österreich produzierte Film „Der Pfarrer von Kirchfeld“ (dritte Verfilmung, nach einem Drehbuch von Friedrich Torberg unter dem Pseudonym Hubert Frohn). Nach dem „Anschluss“ Österreichs wurde Jakob Fleck in Dachau und Buchenwald interniert, 1939 freigelassen, und Ende Jänner 1940 flüchtete das Ehepaar nach Shanghai. 1941 übernahm F. die Regie des chinesischen Films „Kinder der Welt“ (Produktion Fei Mu). 1947 kehrten beide nach Österreich zurück, ein Regie-Comeback mit der Wiederaufnahme von „Der Pfarrer von Kirchfeld“ gelang aber nicht. F. gilt als erste Filmregisseurin Österreichs und (nach der Französin Alice Guy-Blaché) als zweite weltweit. Zahlreiche Dokumente aus ihrem Leben befinden sich im Nachlass ihres Sohns im Filmarchiv Austria, das photographische Archiv ist zum Großteil in Privatbesitz. An sie erinnert seit 2018 der Louise-Fleck-Preis für filmschaffende Frauen, der alle zwei Jahre vergeben wird.

L.: Unerwünschtes Kino. Der deutschsprachige Emigrantenfilm 1934–37, ed. A. Loacker – M. Prucha, 2000, S. 91ff. (mit Bild); U. Jürgens, Louise, Licht und Schatten, 2019 (mit Bildern und Filmographie); Pfarre Dornbach, Pfarre Votivkirche, beide Wien.
(U. Jürgens)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)

Medien
Louise Fleck auf der Rückreise von Shanghai 1947
Louise Kolm um 1900
Louise und Jakob Fleck in Karlsbad 1928
Louise Veltée und ihr Bruder Claudius um 1880
Team der Wiener Kunstfilm um 1914