Günzl Marie (Maria), geb. Franke, Politikerin und Schriftstellerin. Geb. Zwodau, Böhmen (Svatava, CZ), 23. 3. 1896; gest. Planegg (D), 7. 1. 1983. G. entstammte einer kinderreichen sozialdemokratischen Familie aus dem westböhmischen Graslitz (Kraslice). – Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule trat sie als Arbeiterin in eine Stickereifabrik ein und wurde mit 14 Jahren Mitglied des Verbands der jugendlichen Arbeiter in Österreich. Aufgrund ihres politischen Engagements entlassen, fand sie Beschäftigung in der Graslitzer Konsumgenossenschaft. Auf der ersten Mädelkonferenz 1912 in Karlsbad (Karlovy Vary) wurde sie in die Kreisleitung des Jugendverbands gewählt. Als Bezirksvorsitzende der sozialdemokratischen Frauen setzte sie nach der Gründung der Tschechoslowakei ihre Tätigkeit innerhalb der Deutschen sozialdemokratischen Arbeiterpartei (DSAP) fort. 1927 Sekretärin der Partei für den Kreis Karlsbad, hatte sie ab 1932 den Vorsitz im genossenschaftlichen Frauenkomitee des Sudetenlandes inne. Eines ihrer wichtigsten frauenpolitischen Aufgabengebiete war die Bildungsarbeit unter den Funktionärinnen. G. arbeitete ferner in der Redaktion der Parteizeitung „Volkswille“ mit, für die sie kleinere Beiträge verfasste. Unmittelbar nach der Besetzung der Sudetengebiete durch die Deutsche Wehrmacht wurde sie verhaftet, kam zu Ostern 1939 in das Konzentrationslager Lichtenburg, wenig später nach Ravensbrück und wurde 1942 einem SS-Mann als Haushaltsgehilfin zugeteilt. Im April 1943 entlassen, kehrte sie nach Graslitz zurück. Obwohl sie unter Aufsicht der Behörden stand, war G. im illegalen Widerstand aktiv und gehörte dem Unterstützerkreis um Albert Exler an. Im Dezember 1944 neuerlich verhaftet, wurde ihre vorgesehene Hinrichtung angesichts des Heranrückens der Roten Armee nicht mehr vollzogen. 1946 wurde sie als Angehörige der deutschen Volksgruppe vertrieben, floh nach Bayern, war 1950–62 Landtagsabgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und ab 1954 3. Vorsitzende des Landesausschusses der SPD Bayern. Sie engagierte sich in der Frauenpolitik, setzte sich für die Anliegen ihrer ehemaligen Landsleute ein und zählte zu den Mitgliedern der Seliger-Gemeinde. G.s Werk als Autorin umfasst Gedichte, Kurzprosa und journalistische Beiträge. Der Band „Erlebtes Leben. Aus der Geschichte der westböhmischen Frauenbewegung“ (1971) ist eine Sammlung einfühlsamer Porträts. Mit ihren in Ravensbrück verfassten Gedichten, die zusammen mit Erinnerungen an ihre Leidensgefährtinnen in dem Band „Trost im Leid“ 1976 veröffentlicht wurden, zählt G. zu den Vertretern der KZ-Lyrik.