Kaplan Viktor, Maschinenbauer. * Mürzzuschlag (Stmk.), 27. 11. 1876; † Unterach a. Attersee (O. Ö.), 23. 8. 1934. Sohn des Zentralinspektors der Südbahn Karl K., Stiefsohn der Vorigen; stud. an der Techn. Hochschule Wien Maschinenbau (1895 bis 1900) bei Hauffe (s. d.) und Radinger, 1900 Dipl. Ing., leistete dann das Einjährig-Freiwilligenjahr bei der österr. Kriegsmarine ab und trat 1901 in den Dienst der Maschinenfabrik Ganz & Co. in Leobersdorf, die dort hauptsächlich Dieselmotoren baute. Die private Beschäftigung K.s mit der Verbesserung der Wärmebilanz der damals bestehenden Explosionsmotoren — worüber er in einem öffentlichen Vortrag berichtete — veranlaßte die Fa. zur Kündigung seiner Stellung und ihn, trotz Kündigungsrückziehung, zur Annahme einer Konstrukteurstellung für das Maschinenbaufach an der Dt. Techn. Hochschule in Brünn (1903). Die Aufnahme des Lehrberufes an der Brünner Hochschule, besonders aber der damals dringend gewordene Bedarf der Elektrowirtschaft an schnellaufenden Wasserturbinen und solchen, die auch die Ausnützung mittlerer und kleiner Gefälle ermöglichen, ließ ihn seine Arbeiten für die Schaffung eines verbesserten Explosionsmotors aufgeben und sich ganz dem nun gewählten Lehrberuf und der Anpassung der Wasserturbinen an die Erfordernisse der Zeit widmen. 1908 Dr.techn. an der Techn. Hochschule Wien, 1909 Priv. Doz. für Wasserkraftmaschinen an der Dt. Techn. Hochschule in Brünn, 1913 (nach Ablehnung einer Berufung an die Techn. Hochschule in Aachen) ao. Prof. für Maschinenbau mit besonderer Berücksichtigung der Wasserturbinen, 1918 o. Prof. 1922 schwer erkrankt, trat er 1932 in den zeitlichen, 1934 in den dauernden Ruhestand. Zur Überzeugung gelangt, daß mit bloßen Teilabänderungen der Francisturbine die Lösung der Aufgabe, die er sich gestellt hatte, nicht erreichbar sei, begann K. — etwa 1912 — mit der Konstruktion einer neuen Turbine, wobei das von ihm lange angestrebte, 1910 errichtete Wasserturbinenlaboratorium der Brünner Hochschule gute Dienste leistete. Von zellenförmigen Laufrädern zu wenigen, flachgekrümmte Schaufeln aufweisenden Flügelrädern übergehend, gab er dem Wasserstrom unter Weglassung der bisher vorgesehenen Laufradbegrenzung einen axialen Einlauf und machte nicht nur die Leitschaufeln, sondern auch die Laufradschaufeln — vorerst mit der Hand, später automat. — verstellbar, so daß bei Änderung der Beaufschlagung keine oder nur eine geringe Veränderung des Wirkungsgrades und der Drehzahl eintrat. Dem Saugrohr und den Saugrohrkrümmern gab er Formen, die eine Rückgewinnung der Energie, die im Wasserstrahl nach Verlassen des Laufrades noch vorhanden ist, herbeiführten. 1917 wurde die erste Kaplanturbine (Gefällshöhe 2, 33 m, Wassermenge 1000 Liter/sek., minutliche Drehzahl 420, Leistung 25 PS), die auch bei halber Beaufschlagung keine Wirkungsgradverringerung zeigte, von der Brünner Stahlhütte I. Storek gebaut und 1919 in Velm bei Gramatneusiedl von der Börtel- und Strickgarnfabrik M. Hofbauers Witwe in Betrieb genommen, wo sie bis Ende 1955 blieb. Ihre gute Bewährung führte zu weiteren Bestellungen und zur Bildung des K.-Konzerns, einer Vertriebsvereinigung großer dt. und schweizer. Turbinenfirmen. Die 1920 sich zeigenden Frühanstände (Kavitationen) konnten trotz einer längeren Erkrankung K. s durch die ihm von seinen Mitarbeitern sowie von den Firmen Storek (Brünn) und Verkstaden Kristinehamn (Schweden) — besonders Ing. Englesson — geleistete Unterstützung 1922 als vermeidbar gelten. Damit war die Turbine für Schweden mit seinem außerordentlich stark schwankenden Wasserstand die geeignete Wasserkraftmaschine. Obwohl die K.-Turbine noch nie als Großturbine gebaut worden war, wurden für die Errichtung des staatlichen Kraftwerkes Lilla Edet (Götaelf, Schweden, Höchstgefälle 7, 8 m, Minimalgefälle 5, 6 m) K.-Turbinen mit über 11 000 PS (damals die größte Turbine der Welt) verwendet. Verkstaden Kristinehamn erhielt vorerst von den 3 benötigten Turbinen eine in Auftrag, die, 1925 geliefert und in Betrieb genommen, sich besonders hinsichtlich der Wirkungsgradhaltung glänzend bewährte. Bis Ende 1954 betrug die Leistung der in der ganzen Welt aufgestellten K.-Turbinen über 3 Millionen PS und die seither aufgestellten — darunter die 22 Aggregate des Werkes Stalingrad mit zusammen 3, 2 Millionen PS und die 20 Aggregate des Werkes Kuibyshew mit zusammen 3, 1 Millionen PS haben die obengenannte Zahl mehr als verdreifacht. Mit der Möglichkeit der Ausnützung niedriger Gefälle, der Erreichung hoher spezif. Drehzahlen und gutem Wirkungsgrad über einem großen Belastungsbereich, aber auch durch die bis ins kleinste gehende richtige Ausbildung aller Einzelheiten, erlangte die K.-Turbine eine einzigartige Stellung in der Welt. Sie gehört zu den größten Fortschritten, die auf dem Gebiete des Wasserkraftmaschinenbaues gemacht worden sind. K. wurde vielfach geehrt und ausgezeichnet, u.a. 1926 Dr.techn. h.c. der Dt. Techn. Hochschule Prag, 1930 goldene Ehrenmünze des Österr. Ing.- und Architektenver., Ehrenmitgl. des Dt. Mus. in München etc.