Karadžić Vuk Stefanović, Sprachreformer und Volksliedsammler. Geb. Tršić, Osmanisches Reich (SRB), 7. 11. 1787; gest. Wien, 7. 2. 1864 (seit 1897 in Belgrad begraben). Sohn eines Bauern, ab 1818 mit der Wienerin Anna Kraus verheiratet. – K. erhielt seine Ausbildung in Karlowitz (Sremski Karlovci) und an der Hohen Schule in Belgrad. Im 1. serbischen Aufstand (1804–13) spielte er eine bedeutende Rolle, u. a. war er Sekretär des Praviteljstvujušči sovjet (Verwaltungsrat) in Belgrad; ab 1813 lebte er mit Unterbrechungen in Wien, wo der slowenische Philologe →Bartholomäus Kopitar sein Mentor und Mitarbeiter wurde. K. war der Träger des etwa drei Jahrzehnte langen Kampfes um den Gebrauch der serbischen Volkssprache in Literatur und Wissenschaft; der Sieg über die konservativen Anhänger der „slavenoserbischen“ Sprache, insbesondere den serbisch-orthodoxen Metropoliten →Stephan Stratimirović, gelang 1847, als K.’ Übersetzung des Neuen Testaments, →Branko Radičević’ „Pesme“ (Gedichte) und Petar Petrović Njegoš’ „Gorski vijenac“ (Bergkranz), die alle in Wien bei den Mechitharisten verlegt wurden, in der Volkssprache erschienen. Außerdem gab K. die erste Grammatik und das erste Wörterbuch der serbischen Volkssprache heraus. Er schuf ein kyrillisches Alphabet, dessen Prinzipien (nach Johann Christoph Adelung: „Schreibe, wie du sprichst“ – für jeden Laut nur ein Buchstabe) auch auf die lateinische Schrift übertragen wurden; so entstand die phonetische serbokroatische Rechtschreibung, die mit der štokavischen Mundart die kulturelle Basis der Einigung der Serben und Kroaten bildete, wie sie im (privaten) Wiener Sprachabkommen (Bečki književni dogovor) von 1850 festgelegt wurde. Angeregt von Kopitar, dem das Beispiel Herders, Grimms u. a. deutscher Romantiker vorschwebte, sammelte K. serbische Volksdichtungen und Märchen, schilderte Volksbräuche etc. Er war mit vielen in- und ausländischen Dichtern und Wissenschaftlern (Goethe besuchte er in Weimar, Leopold von Ranke gab er Material für sein Werk „Die serbische Revolution“, 1829), wie mit den Gebrüdern Grimm, mit Karamzin, Žukovskij usw. bekannt oder befreundet. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. Dr. h. c. der Universität Jena (1823), ab 1848 k. M. der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien; K. wurde in der griechisch-orthodoxen Abteilung des Wiener St. Marxer Friedhofs begraben, 1897 wurde sein Leichnam exhumiert und nach Belgrad überführt.
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