Kaup Ignaz, Hygieniker, Sozialhygieniker und Konstitutionsforscher. * Marburg (Maribor, Slowenien), 11. 1. 1870; † München, 25. 3. 1944. Stud. Med. an den Univ. Graz, Wien und München, 1896 Dr.med. Volontär an der Grazer mediz. Univ. Klinik (Fr. Kraus) und am Wr. Hygien. Univ. Inst. (M. v. Gruber, s. d.). 1899 Sanitätsass. bei der niederösterr. Statthalterei, dann Bezirksarzt in Wien–Floridsdorf. 1903 Gewerbehygieniker im österr. Handelsmin., 1904 Priv. Doz. für Hygiene an der Techn. Hochschule in Wien. 1908 Doz. für Gewerbehygiene an der Techn. Hochschule Berlin–Charlottenburg, Leiter der Hygieneabt. an der Reichszentrale für Volkswohlfahrt in Berlin. 1911 Prof. an der Techn. Hochschule Charlottenburg, 1912 Berufung auf den in München (auf Veranlassung M. v. Grubers) errichteten ersten Lehrstuhl Deutschlands für soziale Hygiene und Sozialmed., 1918 Sektionschef in dem am 27. 7. 1918 als oberste Gesundheitsbehörde an Stelle des Sanitätsdepartements im Innenmin. neuerrichteten Min. für Volksgesundheit (Min. Horbaczewski, s. d.) in Wien, das nach Kriegsende in das Staatsamt für Volksgesundheit umgewandelt wurde, dessen Leiter K. vom 30. 10. 1918 bis 5. 3. 1919 als Staatssekretär war. Dieses Staatsamt verlor im März 1919 seine Selbständigkeit und wurde als „Volksgesundheitsamt“ mit gewissen Sonderbefugnissen in das vom Staatssekretär F. Hanusch (s. d.) geleitete Staatsamt für soziale Verwaltung eingegliedert. K. leitete als Sektionschef das Volksgesundheitsamt noch bis zum 9. 5. 1919, wirkte dann wieder als Prof. für Sozialhygiene an der Univ. München, 1935 i.R. K. gilt (neben A. Grotjahn, der erst 1925 den Lehrstuhl für Sozialhygiene an der Berliner Univ. erhielt) als der Mitbegründer der Sozialhygiene und Sozialmed. Hatte er sich ursprünglich der Gewerbehygiene gewidmet und sich im Ersten Weltkrieg als hygien. Berater einer Armee große Verdienste um den Ausbau der Schutzimpfungen gegen Typhus und Cholera sowie um das Entlausungswesen erworben, so wandte er sich später der Konstitutionshygiene zu, die bis zu seinem Tode sein Hauptarbeitsgebiet blieb. Ihren Sinn sah er in der Sicherung der optimalen Entfaltung des angeborenen Anlagegutes durch planmäßige Beeinflussung während des Wachstums, besonders während des so entscheidend wichtigen Reifungsalters und prägte in diesem Zusammenhang den Begriff einer „Konstitutionsdienstpflicht“. Er wirkte bahnbrechend für Organisation, Durchführung und eine genormte Methodik bei Reihenuntersuchungen. Er entwickelte den heute noch in der Konstitutionsbiol. häufig verwendeten „Kaupschen Index“ der als ein Index der Körperfülle ein funktionell-dynam. Gradmesser für die Allgemeinbeurteilung von Individuen einer bestimmten Population ist. Zu den wiss. Hauptanliegen K.s gehörte die Schaffung einer morpholog. und funktionellen Normkde. Weniger geglückt war seine Auseinandersetzung mit der Problematik der Eugenik in einer damals viel beachteten Streitschrift „Volkshygiene oder selektive Rassenhygiene?“